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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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aneinander, als könnte er die torfige Beschaffenheit dieser alten Erde heute noch spüren. »Nein, solch einen Boden findest du nicht überall.«
    Fünf Kilometer Wege führten durch Weiden, auf denen malerisch das Milchvieh graste. Auf fünf Morgen Niederwald wurden Fasane gezüchtet, in Bächen tummelten sich Forellen, und die Felder wimmelten von Kaninchen und Füchsen. »In der Kapelle haben wir dieses Lied gesungen.« Dad holt Luft und singt leise in die tragende Wärme der südafrikanischen Nacht: »And did those feet in ancient time walk upon England’s mountains green? / Sind wohl in alter Zeit diese Füße über Englands grüne Berge gewandelt?« Er schüttelt den Kopf, lächelt und klopft die Pfeife in der Hand aus, verbrannter Tabak zaubert einen kleinen schwarzen Aschenkegel auf seine Handfläche.
    Seine Großmutter Lady Edith erinnert Dad als sehr elegant und schlank. Und da er an Admiral Sir Cyril überhaupt keine Erinnerung hat, behält mein Urgroßvater für mich das unbekümmert gute Aussehen auf der Fotografie, die ich ausgerechnet in Missouri in einem Laden für »Historische Dokumente und Autographe« entdeckt habe. Auf der Rückseite der Fotografie findet man den ein wenig rätselhaften Vermerk: »Am Samstag verlieh Seine Majestät ungefähr zweiundfünfzig Auszeichnungen an Offiziere der Marine und des Heeres, und einer der Offiziere, Captain Cyril Fuller, R. N., erhielt drei Auszeichnungen, den C. M. G., den D. S. O. und die Bronzemedaille der Handelskammer für Lebensrettung auf See. Captain Fuller wurde die Auszeichnung für hervorragende, in Nigeria geleistete Dienste zuerkannt, und die Medaille der Handelskammer bekam er in Anerkennung seiner Tapferkeit bei der Havarie eines Walfangboots im Njong River verliehen, bei welcher Gelegenheit er sich aus Leibeskräften um die Rettung der Mannschaft bemühte. Bei dem Versuch, das Boot aufzurichten, wurde er zwar zweimal von kämpfenden Eingeborenen weggezogen, trotzdem gelang es ihm, etliche Menschenleben zu retten.«
    Ich denke laut darüber nach, um was diese Eingeborenen gekämpft haben mochten.
    Dad saugt ein paarmal schweigend an seiner Pfeife. »Gab es auf nigerianischen Flüssen Walfänger?«, fragt er schließlich. »Muss wohl so gewesen sein.« Er schaut etwas betroffen. »Stell dir vor«, sagt er.
    Als Dad dreizehn war, ließen seine Eltern sich scheiden – »etwas ganz, ganz Schreckliches damals« –, und Hawkley Place wurde verkauft. »Danach«, sagt Dad, »waren wir in den Schulferien immer etwas heimatlos.« Donald ging zur See und blieb dort mehr oder weniger ständig. Boofy kaufte sich ein Häuschen auf dem Land in Sussex (»Erstklassige Adresse, ziemlich schäbiges Haus«, fügt Mum hinzu), das gerade groß genug für sie und Noo war. Dads Zuhause, wie er es kannte, löste sich in Luft auf, wurde ersetzt durch zerrissene Ferien, die Unsicherheit halb ausgepackter Koffer, die Angst, nirgends hinzugehören.
    Onkel Toe und Dad wurden zu unterschiedlich netten und/oder pflichtbewussten Verwandten abgeschoben. »Ich kann mich noch gut an die Shaws erinnern«, sagt Dad. »Eine lustige und sportliche Sippschaft. Sie hatten etwa vierhundert Hunde, ein Shetlandpony in der Küche, und immer hinkte einer mit gebrochenem Bein oder Arm herum. Cousine Anti verschwand irgendwann für ein halbes Jahr in den Himalaya, um nach dem Yeti zu suchen. Ich war schwer beeindruckt.«
    Fünf Jahre später reagierte Dad auf seine zerrissene Kindheit und brach mit einer seit Generationen gepflegten Familientradition. »Alle erwarteten, dass ich mich nach dem Schulabschluss zur Marine melden würde, aber dazu hatte ich keine Lust. Ich war immer bereit zu kämpfen, wenn es Krieg gab, aber ich spielte doch nicht den Zinnsoldaten, wenn es keinen gab.« Dazu kam, dass Dad mit dem Meer nicht viel anzufangen wusste. »Man kann keinen Spaten hineinstechen.« Stattdessen ging er auf die Landwirtschaftsschule, und noch vor Abschluss des letzten Studienjahres bewarb er sich um ein Einreisevisum nach Kanada. »Ich hatte immer schon vorgehabt, mir mal anzuschauen, wie andere leben. Und ich wollte irgendwo hingehen, wo das Land noch wild war. Nicht gerade zum Yeti, aber ein bisschen Abenteuer musste schon dabei sein.«
    Dad heuerte in Ontario als Landarbeiter an. »Bei den McKinneys«, sagt er. »Sehr nette Leute, aber Abstinenzler.« Zum nächsten Pub war man über dreißig Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs. »Im Sommer war das okay, aber im Winter hätte ich mich

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