Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
da zu Tode gefroren.« Also antwortete Dad nach der Heuernte auf das Stellenangebot, auf den Westindischen Inseln Tomaten anzubauen, kaufte sich in einem Kaufhaus in Toronto einen Safari-Anzug und machte sich auf nach Süden.
Nicht einmal ein Jahr nach seiner Ankunft in Montserrat machte das Tomatenunternehmen dicht. »Riesenfabrik, zu wenig Tomaten«, sagt er. Ein paar Monate lang trieb er sich im Caribbean Beach Club herum – »Schlafen unter Palmen, Tiefseefischen, Segeln, Tennis, eine ziemlich feuchtfröhliche Geschichte« –, bis es ihn an eine der Nachbarinseln spülte, wo er in einem Strandhotel arbeitete. »Mein Chef war ein sonderbarer Kauz, dem ging ich lieber aus dem Weg«, sagt Dad. »Der Vorhang fiel, als die monatliche Schnapsrechnung mein Gehalt um zehn Pfund überstieg.« Dad wurde entlassen.
Danach stellte er sich beim Generalgouverneur von Barbados für den Posten eines Adjutanten vor. »Meine Aufgaben waren sehr einfach. Vormittags musste ich Lady Stows Pekinesen spazieren führen. Abends musste ich mit dem Gouverneur Rumpunsch trinken und Würfelpoker spielen.« Aber diese mehr oder weniger erweiterte Cocktailstunde fand ein abruptes Ende, als eine Direktive des Innenministeriums bei Sir John einging: In Vorbereitung auf die Unabhängigkeit waren wo immer möglich Leute einzustellen, die von der Insel kamen. Und wer wollte schon behaupten, ein Kreole aus Barbados sei weniger geeignet als ein Engländer, mit einem Pekinesen Gassi zu gehen oder Rumpunsch zu trinken. Dad war wieder arbeitslos.
»Ungefähr zu der Zeit erzählte mir jemand von einem Job in einer Baumschule in Ostafrika«, sagt er. »Das hörte sich gut an.« Und so traf Dad an einem Nachmittag Ende November 1963 in Kenia ein und stellte sich am nächsten Morgen bei Robert Stocker von der Wattle Company vor.
»Spielen Sie Rugby?«, fragte Robert.
Dad spähte über den Schreibtisch. Stocker hatte die Statur für die zweite Offensivreihe, seine prallen Oberschenkel passten kaum in den Sessel. »Ja«, antwortete Dad.
Robert sah ihn an. »Position?«, wollte er wissen.
»Flügelstürmer«, sagte Dad.
»Gut.« Robert machte einen Vermerk auf Dads Karteiblatt. »Sie sind eingestellt.«
Dad bekam fast nichts für sehr wenig Arbeit. An Mittwochabenden musste er sich zum Rugbytraining im Eldoret Sports Club einfinden, samstags wurde er zu den Matches erwartet. Für den Rest der Woche bekam er einen klapprigen Landrover zur Verfügung gestellt, mit dem er auf drei- oder viertausend Morgen des Plateaus herumfahren, den Umfang der Bäume der Firma Wattle ausmessen und ein paar Hundert Rinder im Auge behalten musste. »Manchmal bekam ich auf meinen Rundfahrten eine ugandische Moorantilope oder einen Leoparden zu sehen«, sagt Dad. »Und dann stand plötzlich die Welt still. Ich schaltete den Motor aus, zündete mir eine Pfeife an und beobachtete zwei, drei Stunden lang die Tiere. Ich vergaß einfach die Zeit – so wunderbar war das.«
Ich werde oft gefragt, warum meine Eltern nicht aus Afrika fortgegangen sind. Einfach ausgedrückt: Sie waren besessen von diesem Land. Es ist Mums große Liebe und Dads Religion. Wenn er vom Baum des Vergessens hinunter zum Fluß und wieder zurück geht, schreitet er eine lebenslange, in der Kindheit erworbene, heilige Hingabe an den Erdboden als solchen ab. »Bringt mir meinen Bogen aus glühendem Gold«, singt Dad leise. Er verstummt wieder, wendet sich an Mum: »Wie geht noch mal der Text von dem Lied, Tub?«
»Bringt mir meine Pfeile des Verlangens«, singt Mum. »Bringt meinen Speer: O Wolken, teilt euch!«
»Ja, genau«, sagt Dad.
»Bringt mir meinen Streitwagen aus Feuer«, singen beide gemeinsam.
Meine Eltern wollen beide auf ihrer Farm in Sambia begraben werden, wenn ihre Zeit gekommen ist. Dad hat sich einen Baobab-Baum oberhalb der Fischteiche als Grabstätte ausgesucht. »Wickelt mich in einen alten Lumpen und vergrabt mich so tief, dass Mums verfluchte Köter mich nicht wieder ausbuddeln«, sagt er.
Mum hat sich einen Baum in Rufweite von Dads Baum ausgesucht. »Aber ich will ein großes Begräbnis mit allen Schikanen. Singt das Halleluja, tragt große teure Hüte und werft euch mir nach in mein Grab.«
Nicola Fuller und das perfekte Haus
Mum und Dad mit Hunden vor
Lavender’s Corner, Kenia, ca. 1965
Nakuru nennen es die Massai, »Land des Staubs«, und ich hab mir eine Luft vorgestellt, in der ständig Staub aufgewirbelt wird und haufenweise Plastik herumfliegt. Aber bei meinem
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