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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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jeder Stimmung. Jeden Tag konnte man aus exakt demselben Blickwinkel ein anderes Bild malen. Das Licht wechselte ständig. Und die Savanne ist mitnichten nur ein großer beigefarbener Klecks.« Und wenn die Muse sie verließ, sattelte sie Violet und nahm Suzy mit auf lange, mäandernde Ausritte. »Das Land war damals noch nicht so zerteilt von Straßen und Zäunen und man konnte meilenweit reiten.«
    Währenddessen hatte Dad einen lukrativen Posten bei einem deutschen Veterinärausrüster bekommen. »Vierhundert Leute hatten sich um den Job beworben«, sagt Mum, »aber sie haben Tim genommen, weil er vorher Black’s Veterinary Dictionary durchgeackert hatte – von wegen, ›Penicillin wurde 1928 von Alexander Fleming entdeckt‹ und so etwas. Aber richtig beeindruckt waren die Deutschen davon, dass Tim britisch bis ins Mark war. Sie waren total begeistert von ihm. Bis sie ihn einstellten, bekamen sie in einer ehemaligen britischen Kolonie aus naheliegenden Gründen kein Bein auf den Boden. Oder, Tim?«
    »Was?«, fragt Dad.
    » DIE DEUTSCHEN !«, schreit Mum. » KONNTEN IN OSTAFRIKA NICHT KONKURRIEREN ! WEGEN DEM KRIEG !«
    Montagmorgens verabschiedete Dad sich auf der Veranda von Mum. »Immer war sie umringt von ihren Tieren und roch nach Farben und Terpentin«, sagt er. Er fuhr tagelang quer durch Uganda, Tansania und Kenia, versorgte Großtierärzte mit Ausrüstung. »Man konnte meilenweit fahren und sah so gut wie keinen Menschen. Mal ein Massai-Hirte, oder es saßen ein paar Samburu-Krieger im Schatten einer Akazie. Wenn man einem anderen Auto begegnete, war das so aufregend, dass man ausstieg und sich begrüßte.« Aber Dad fand Trost in der Leere: die einsamen Rillen einer endlosen Schotterstraße, das provisorische Bett unter Sternen in summender Nacht. »Wenn man da mal auf den Geschmack gekommen ist, will man nicht zurück unter wimmelnde Menschen.«
    Wenn Dad freitagabends nach Lavender’s Corner zurückkehrte, hatte Mum zu dem Anlass den Malerkittel mit etwas Vorzeigbarerem vertauscht. »Dreiviertelhosen und eine hübsche Leinenbluse«, sagt Mum. Später rauchte Dad am Küchentisch seine Pfeife und ließ Mum über ihre Woche plappern, während in einem Le-Creuset-Topf ein Auflauf oder ein Curry garte. Sie aßen spät, tranken ein paar Flaschen kaltes Bier und schauten dem Mond bei seiner langsamen Überquerung des Rift Valleys zu.
    An den Wochenenden widmeten Mum und Dad sich vornehmeren Zeitvertreiben. Dad spielte Polo. Mum nahm an Springprüfungen teil. Zusammen beteiligten sie sich an Fuchsjagden. »Falls man das so nennen durfte«, sagt Mum. »Es handelte sich eher um Geländereiten der schlimmsten Sorte.« Das Jagdgebiet lag in Molo. In über zweitausend Metern Höhe gelegen, war Molo einer der kältesten Orte im Land. Ein ganzes Stück von der Hauptstraße nach Nairobi entfernt, an den Rand des Mau-Walds gedrängt, waren die Siedler dort oben einsam, hemmungslos und schlugen gerne über die Stränge.
    »Happy-Valley-Pack«, sage ich.
    Mum schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt sie. »Nein, nein, nein. Das Happy-Valley-Pack war längst weg, bis auf ein paar Überlebende, die vielleicht noch irgendwo herumhinkten. Nein, nein, die Molo-Leute standen eher auf Feld-Wald-und-Wiesen-Fummelei. Mehr nicht.«
    Die Fuchsjagden wurden von einem englischen Pferdearzt namens Charlie Thompson veranstaltet, einem großen Freund der blutrünstigsten Sportarten: Hundekämpfen, Hahnenkämpfen, Partnertausch. Er hatte eine Adlernase, winzige dunkle Äuglein, rauchte Pfeife und ging, als wären seine Hüftgelenke fest verschraubt. Bei einem bizarren Unfall, über den niemand sprach, hatte er die Herrschaft über seine Reitmuskeln verloren. »Man fasst sich an den Kopf«, sagt Mum, »aber es hielt ihn nicht davon ab, seinen Hengst Amos zu reiten, sooft er konnte. Oh, das war ein wunderbares Pferd, oder, Tim?«
    »Oh ja«, sagt Dad. »Ja, ein sehr schönes Pferd, ein Vollblutrappe mit einem Schuss warmem Blut.«
    Während ich dasitze und staune, dass meine Eltern sich an Namen, Rasse und Farbe dieses lange dahingegangenen Pferdes erinnern, erzählt Mum weiter: »Charlie hat sich einfach auf dem Sattel festgeschnallt, klassisch englischer Sattelsitz, und los ging’s. Er ritt wie der Teufel! Er hatte auch ordentliche Hunde, aber statt einem Fuchs jagten wir einem Riedbock nach.«
    So ein Jagdwochenende begann traditionell mit einem von Charlies berüchtigten Essen: Berge von Kartoffelmus, die Hinterkeule irgendeines frisch

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