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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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noch etwas kann Mum nicht sagen – jedenfalls nicht mit vielen Worten: Ihre Entscheidung, im von Weißen regierten Afrika zu bleiben, kam sie teuer zu stehen; sie hätte beinahe mit dem Leben dafür bezahlt.
    Um uns herum macht der südafrikanische Garten sich für den Abend bereit. Die Perlhühner haben aufgehört zu gurren und sich in den Bäumen bei den Ställen niedergelassen. Die knisternden Geräusche der Tagesinsekten werden nach und nach von den Klängen der Nacht abgelöst: quakenden Fröschen im Bach, zirpenden Zikaden in den Bäumen. Hinter uns an den Bergwänden wechselt die Farbe von Rosa zu Schiefergrau.
    »Seht ihr«, sagt Mum, »die Sonne ist gleich unten.«
    »Du sagst es«, sagt Dad.
    Nach ein paar Sekunden wirft Mum die Arme in die Luft. »Austrocknung! Nicola Fuller of Central Africa leidet unter massiver Austrocknung!«
    Dad lacht. »Bedienung!«, ruft er. »Barkeeper!«
    »Hilfe!«, kreischt Mum. »Notfall!«

Nicola Fuller in Rhodesien: Erste Runde

    Mum mit Van, 1966

    Dad mit Van, 1966
    Der letzte Tag unseres südafrikanischen Urlaubs zieht mit drückender Hitze herauf. In der Nacht hat ein Wind aus der Wüste im Norden die angenehm temperierte Luft endgültig nach Süden vertrieben. Wir leiden alle drei unter leichten Kopfschmerzen – »selbstverschuldet«, meint Mum – und bleiben nach dem Teefrühstück auf der Veranda, zu lethargisch für den gewohnten Morgenspaziergang. Dad raucht Pfeife. Für den Fall, dass sich ein seltener Vogel zeigt, hat Mum ein Fernglas auf dem Schoß liegen, und plötzlich hält sie es sich vor die Augen. »Seht mal das hübsche kleine Ding mit dem gestreiften Kopf«, sagt sie. Sie konsultiert ihr Vogelbuch. »Das ist eine Kapammer, glaube ich. Ach je, das sind hier ganz gewöhnliche Anwohner, steht da.« Sie betrachtet den enttäuschend gewöhnlichen Vogel. »In Sambia kennen wir den gar nicht, oder, Tim?«
    »Wie bitte?«, sagt Dad.
    » KAPAMMERN !«, ruft Mum. » GIBT’S BEI UNS NICHT !«
    Die Worte, die das Leben meiner Eltern veränderten, hätten auf einer Briefmarke Platz gehabt: »Verwalter für zehntausend Morgen Land in Afrika gesucht.« Die Annonce, zwischen die Kleinanzeigen auf der Rückseite der kenianischen Ausgabe des Farmer’s Weekly gezwängt, verriet nicht, in welchem afrikanischen Land diese zehntausend Morgen zu pachten waren. Das war auch nicht nötig. »Auf dem ganzen Kontinent gab es nur ein Land, dessen Namen niemand in den Mund nahm«, sagt Mum. »Rhodesien.«
    Am 11. November 1965 hatte die rhodesische Regierung unter Premierminister Ian Smith einen Skandal verursacht, als sie dem britischen Premierminister Harold Wilson um Punkt elf Uhr Greenwich-Zeit die einseitige Unabhängigkeitserklärung (Unilateral Declaration of Independence – UDI ) zugestellt hatte. Genau in dem Moment, als London mit zwei Schweigeminuten dem Ende des Ersten Weltkriegs gedachte, traf die Depesche mit der Ankündigung der UDI in Downing Street Nr. 10 ein, der telegrafische Schlag ins Gesicht der britischen Regierung, die zuvor zugesichert hatte: keine Unabhängigkeit vor einer Mehrheitsregierung.
    Tags darauf, am 12. November 1965, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution Nr. 216, in der die UDI als illegales Konstrukt einer »rassistischen Minderheit« verdammt wurde. Am selben Tag verkündete die Schlagzeile des Rhodesian Herald : UDI . RHODESIEN GEHT DEN WEG ALLEIN . In der Dachzeile wurde in kleinerer Schrift darauf hingewiesen, dass ab sofort eine staatliche Pressezensur eingeführt worden war. An dem Tag erschien die Zeitung zum ersten Mal seit ihrem Bestehen mit unbedruckten weißen Spalten. Gemäß der rhodesischen Regierung war das Land jetzt völlig unabhängig von Großbritannien und würde – jetzt und in Zukunft – von einer weißen Minderheit regiert.
    Die »zehntausend Morgen in Afrika« gehörten einem kenianischen Siedler namens John Lytton-Brown. »Wir kannten den Mann nicht«, sagt Mum. »Er war keiner von unseren Leuten.« Mit anderen Worten, er war kein Pakka-Pakka-Sahib. Dad bewarb sich um den Job, und im Januar 1967 schiffte er sich von Mombasa nach Kapstadt ein und reiste von dort nach Rhodesien weiter, Kleidung zum Wechseln, einen Schlafsack und Black’s Veterinary Dictionary im Gepäck. Mum blieb noch in Lavender’s Corner, um zusammenzupacken. »Nachdem Tim in Rhodesien angekommen war, hörte ich nicht mehr viel von ihm wegen der UDI «, sagt Mum. »Keine Telegramme, keine Telefonverbindungen.

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