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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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bezahlen. Er wollte bis nach der Ernte warten und uns dann rauswerfen, um den Profit alleine einzustreichen, stimmt’s, Tim?«
    »Was hast du gesagt?«, knurrt Dad.
    » UNS RAUSWERFEN UND DEN PROFIT ALLEIN EINSTREICHEN !«, wiederholt Mum.
    Zur Erntezeit war Mum im achten Monat schwanger. Wie es der Geist des Exverwalters prophezeit hatte, feuerte Lytton-Brown meine Eltern, sobald die Ernte eingefahren war, und verweigerte ihnen den Anteil für ihre Saisonarbeit. »Es war ein schwerer Schlag, denn wir hatten hart gearbeitet und trotz der Trockenheit einen passablen Ertrag erzielt«, sagt Mum. Dad ging vor Gericht, aber bis zu einer Entscheidung waren meine Eltern heimat- und so gut wie mittellos. Sie lebten aus dem Auto, einem »klapprigen 59er Chevy Sechszylinder, der an so gut wie keiner Tankstelle vorbeikam«.
    Der Winter kam früh und mit Macht. »Papayabäume wurden schwarz und stürzten um«, sagt Dad. »Frost überzog das Lowveld. Den Leuten in diesem niedriger gelegenen Streifen froren die Pumpen ein. Ich weiß nicht, wie viele Farmer ruiniert waren, aber man sah sie in Scharen und abgemagert auf den Straßen von Salisbury sitzen.« Dad bekam einen Job als Rausschmeißer in Salisburys einzigem Nachtclub, La Bohème.
    »Ein schrecklich billiger Laden war das«, sagt Mum. »Zilla, die Schlangenbeschwörerin, und so etwas.«
    Ich sah meinen Vater an. »Zilla, die Schlangenbeschwörerin?«
    Dad errötet, fummelt an seiner Pfeife herum, klopft die Asche aus dem Kopf und füllt frischen Tabak nach.
    »Nein, Bobo, es war eine extrem schwierige Zeit, und sie erforderte außergewöhnliche Maßnahmen«, sagt Mum. »Das war kein leichter Job – die Gäste wollten ihren Spaß, und viele waren bis an die Zähne bewaffnet. Und du kennst die Rhodesier – wenn die eine Schlange sehen, schießen sie ihr den Kopf ab.«
    Das zweite Kind meiner Eltern, Adrian Connell Fuller, kam an einem bitterkalten Frühwintertag im Lady Chancellor Maternity Home in Salisbury zur Welt. »Es waren lange und schwere und sehr einsame Wehen«, sagt Mum. »Die Versorgung war grausam. Schwestern und Ärzte kümmerten sich um andere Leute. Ich war ganz auf mich gestellt. Wahrscheinlich wussten sie, dass ich die obdachlose bettelarme Frau des Rausschmeißers vom La Bohème war, und kümmerten sich nicht weiter um mich.« Aber dann kam das Kind zur Welt, ein blonder Junge mit blauen Augen, und Mum war außer sich vor Freude. »Es war der glücklichste Tag meines Lebens«, hat sie mir einmal erzählt, »als ich das Baby zum ersten Mal in den Armen hielt.«
    Als Adrian ein paar Wochen alt war, fand Dad achtzig Kilometer nordöstlich von Salisbury Arbeit in einer Nickelmine, in der eine Abschmelzanlage gebaut wurde. Bis dahin hatte Dad noch nichts Größeres als Hühnerställe gebaut, »aber die Bezahlung war okay, also hab ich mich da reingequatscht«, sagt er. »Es musste etwas geschehen. Wir vier konnten nicht von den Bezügen eines Rausschmeißers leben.« Dad machte so viele Überstunden wie möglich, verließ Mum vor Sonnenaufgang und kehrte bei Dunkelheit zurück.
    Mike Dawson, ein Farmer in der Nähe von Shamva, ließ meine Eltern mietfrei in einer Hütte auf seiner Farm wohnen, bis sie wieder auf eigenen Beinen standen. »Die Freundlichkeit wildfremder Menschen vergisst man sein Leben lang nicht«, sagt Mum und sticht zur Bekräftigung einen schwieligen Zeigefinger in ihre Handfläche. »Diese Selbstlosigkeit und Großzügigkeit.« Mikes Frau, Cherry Dawson, war eine schwermütige Australierin. »Ich glaube, sie bemühte sich, freundlich zu sein, aber es war für uns alle nicht leicht. Wir hatten alle Probleme. Sie war nicht aus Afrika, die Einstellung, mit der wir groß geworden waren, dass Fremde stets willkommen waren, kannte sie nicht. Wir waren nur eine zusätzliche Last für sie.« Und Adrian schien der sehr strenge Winter ernstlich zuzusetzen.
    Es trug sich in etwa folgendermaßen zu: Adrian erwachte mit beängstigend hohem Fieber, und Mum flößte ihm Paracetamol-Syrup ein. Weil sie weder ein Auto noch ein Telefon hatte, lief sie mit Adrian im Arm und Vanessa im Schlepptau hinüber zum Haupthaus und bat Cherry, sie in die nächste Klinik zu fahren, die über zwanzig Kilometer entfernt in Bindura war. »Ich spürte Cherrys Ärger über mein Anliegen, ganz abgesehen davon, dass ich ihr die Benzinkosten für die Hin- und Rückfahrt natürlich nicht erstatten konnte.« Als Adrian in der Klinik ankam, hatte das Paracetamol sein Fieber

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