Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)
Briefe wurden, mit dem Poststempel von Blantyre, über Malawi umgeleitet.«
Der erste Brief meines Vaters aus Rhodesien las sich rätselhaft: »Liebe Tub«, schrieb er,
ich habe mich ganz gut in Berry’s Post eingelebt. Wir sind nicht weit weg vom Hunyani River. Eine etwas abgelegene Gegend. Es gibt 400 Morgen Baumwolle, 200 Morgen Mais, 200 Morgen Sonnenblumen. Und dazu 400 Rinder. Zurzeit ist es hier ziemlich trocken, und die Regierung verteilt Rinder praktisch an jeden, der noch Weideland hat. Es ist schade, dass wir nicht alle zusammen sind. Aber bald. Ich vermisse euch sehr.
Alles Liebe,
Tim
Einen Monat später verschenkte Mum alles, was sie nicht mitnehmen konnte, und ging in Mombasa mit Vanessa, dem Kater Felix und dem Schäferhund Suzy an Bord eines Schiffes. Im Gepäck hatte sie ihre Lieblingsbücher, den Bronzeguss des Herzogs von Wellington, ein paar von den Jagdstichen, ein paar Leinentücher und die orangeroten Le-Creuset-Töpfe. »Man spürte Rhodesien schon lange vor der Ankunft«, sagt Mum. »Man konnte es förmlich riechen, dieses geächtete Land, diesen rebellischen Staat.« Ich weiß, sie liebt diese Worte – geächtet, rebellisch –, weil sie gut zu ihrer Vorstellung von sich selbst passen. »Britische Kriegsschiffe patrouillierten vor der Küste von Mosambik, damit bloß nichts über Beira nach Rhodesien gelangte. Südafrikanische und rhodesische Passagiere durften nicht von Bord gehen. Ich fand das sehr aufregend.«
Sehr schnell wurde Mum ihrer Illusionen beraubt. Durch das Fenster des Zugs von Kapstadt nach Bulawayo sah sie die Landschaft mit wachsendem Entsetzen immer trockener und rauer und platter werden. Als Dad geschrieben hatte, »zurzeit ist es hier ziemlich trocken«, war das eine gewaltige Untertreibung gewesen. Tatsächlich litt das Land unter einer der schlimmsten Dürrezeiten seiner Geschichte. Schon vor Weihnachten war immer mehr Vieh im Matabeleland verdurstet. Bis Januar 1967 war die späte Baumwolle gerade mal fünfzehn Zentimeter hoch gewachsen, und die resignierenden Farmer hatten begonnen, sie unterzupflügen.
Oben auf dem Hochveldt war es genauso trocken. Feldfrüchte verwelkten auf dem Halm, die wilden Bäume auf den Kopjes schlugen nicht aus, durstige Schlangen schwärmten nach Berry’s Post und tranken den Hunden das Wasser weg. »Es war ein Farmhaus in so einem sonderbaren spanischen Stil, mit großen Verandatüren«, sagt Mum. »Gleich am ersten Morgen stand Vanessa direkt vor der Scheibe, Auge in Auge mit einer Kobra, die sich auf der anderen Seite mit zitternder Zunge aufgebaut hatte. Ich bin so erschrocken, dass ich am nächsten Tag Tabatha anstellte, damit sie Vanessa auf Schritt und Tritt folgte.« Entsetzt über die Feindseligkeit des Landes, die staubige Einsamkeit, den erbarmungslos trockenen Wind, vermochte Mum sich nicht auszumalen, wann sie jemals Gelegenheit hätte, ihre Stöckelschuhe anzuziehen.
Wenige Wochen nach der Ankunft ging Suzy am Zeckenfieber ein, dann wurde Felix massakriert. »Von den Arbeitern, vermuten wir«, sagt Mum. »In dem Landesteil herrschte eine böse Unterströmung. Sie mochten die Weißen nicht wegen der UDI . Ich vermute, deshalb haben sie unseren Kater umgebracht.«
In ihrem zweiten Monat auf der Farm wurden meine Eltern eines Nachts aus dem Schlaf gerissen, weil sie das Gefühl hatten, beobachtet zu werden. »Am Fußende des Betts stand der Mann, der vor uns die Farm verwaltet hatte.« Mum bekommt helle Augen. »Also, zumindest sein Geist. Er selber hatte sich sechs Monate vorher erschossen, also stand er nicht wirklich da.« Mum rubbelt sich an diesem heißen südafrikanischen Vormittag die Arme, als fröstelte es sie. »Hier.« Zum Beweis zeigt sie mir ihre Gänsehaut. »Mich schaudert es jetzt noch, darüber zu reden. Das werde ich nie vergessen, jemanden dastehen zu sehen, der nicht wirklich da war, aber doch da war. Es war kein böser Traum und keine Halluzination, es war real.« Mum reckt das Kinn vor. »Als Schottin von der Isle of Skye weiß ich nur zu gut, dass Geister und Feen mitten unter uns leben.« Mum zieht eine Augenbraue hoch und sagt: »Richtige Feen, keine Schwulen oder so was.« Sie trinkt einen Schluck Tee und sucht mit dem Fernglas den Garten ab, ob sich vielleicht doch noch ein hinreichend exotischer Vogel eingefunden hat. »Nein«, sagt sie schließlich, »der Exverwalter ist gekommen, um uns vor Lytton-Brown zu warnen. Der Ganove hatte ihn nicht bezahlt, und er hatte auch nicht vor, uns zu
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