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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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Rücken, ein dunkler Schweißfleck breitete sich zwischen den Schulterblättern aus. Er warf die Zigarette auf den Boden, trat sie mit der Stiefelspitze aus. Dann schaute er hoch, als hätte er die beiden Männer eben erst entdeckt. »Na, Jungs«, sagte er. »Kann ich was für euch tun?«
    Einen Augenblick lang passierte nichts. Dann sank der humpelnde Mann auf die Knie. »Wir sind Pseudo-ops, Baas.«
    Mein Vater drehte sich um zu Mum. »Alles okay, Tub. Sind welche von unseren.«
    »Wir brauchen Wasser und was zu essen«, sagte der humpelnde Mann. Er zog das Hosenbein hoch und zeigte eine Schusswunde am Knöchel, die stark entzündet war und in der schwülen Hitze nach Wundbrand roch. »Bitte, Baas, ich brauche Hilfe.«
    Mein Vater sah die beiden Männer einen Moment lang an. »Ich rate euch Halunken, mir keine Märchen zu erzählen«, sagte er leise. Er zündete drei Zigaretten auf einmal an, gab jedem der Männer eine und behielt die dritte für sich. Dann drehte er sich wieder zu meiner Mutter um und sagte mit lauter, beruhigend normaler Stimme: »Bring den Verbandskasten, Tub. Wir haben hier ein kleines Problem.«
    Mum stieg aus dem Landrover, zitternd vor ausgeschüttetem Adrenalin. Sie ging auf die andere Seite des Fahrzeugs, wo sie nicht zu sehen war, und sank zurück auf die Fersen. Nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte, nahm sie den Verbandskasten aus dem Wagen, trat hinaus in das grelle, klare Sonnenlicht und versorgte den Knöchel des Mannes, so gut sie konnte, wischte die Wunde mit Jod aus, entfernte den Schmutz und die Knochensplitter, die sie erwischte, und wickelte eine elastische Binde um das Fußgelenk. »Nach ungefähr einer Stunde haben wir sie wieder laufen lassen«, sagt Dad. »Und als wir den Vorfall später bei der Polizei meldeten, erfuhren wir, dass RENAMO -Aktivisten auf dem Weg von oder nach Mosambik auf unserer Farm Zwischenstation machten. Jetzt wussten wir Bescheid. Meistens kamen sie nach Einbruch der Dunkelheit, schliefen in den Schuppen und waren schon vor Sonnenaufgang wieder unterwegs. Sie versorgten sich selber – in der Regel baten sie nicht um Nahrung oder Wasser. Wir bekamen nicht viel von ihnen zu sehen, es sei denn, sie waren – wie in diesem Fall – verwundet oder brauchten Hilfe, dann hörten wir sie im Busch – ›Maiwe! Maiwe!‹ – und wussten, dass es wieder so einen armen Kerl erwischt hatte und er sich über das Minenfeld schleppte und wir seine erste Hoffnung auf Hilfe waren.« Dad schüttelt den Kopf, wie um sich den Klang dieses Schreis aus dem Gedächtnis zu schütteln: »Maiwe! Maiwe!«
    Für eine Weile ist es still unter dem Baum des Vergessens. Dann fängt einer von Mr. Zalus Hunden an zu bellen, und die Hunde meiner Eltern schwärmen, die Nackenhaare misstrauisch aufgestellt, in die Dunkelheit aus, um ihm zu antworten. Mums Gänse fangen an zu kreischen. Rosenkäfer prallen gegen die Glühbirnen über unseren Köpfen und landen rücklings zu unseren Füßen. Dad hält ein Streichholz an seine Pfeife, saugt ein paar schnelle Züge aus dem Mundstück. »Ja«, sagt er schließlich, »dass der Krieg ein ruhmreicher Zeitvertreib ist, behaupten nur die Schwachköpfe, die ihm noch nicht in die Augen geschaut haben.«
    Einen Monat später brachte ein Bus auf der Fahrt durch das Burma Valley eine Landmine zur Detonation. Dann wurde Dad mit seiner Patrouille kurz vor Weihnachten von einem Hubschrauber oben in den Himalaya Hills abgesetzt, damit sie eine Gruppe von Terroristen ausfindig machten, die angeblich am Abend vorher das Leopard Rock Hotel überfallen hatten. »Das war kein Vergnügen«, sagt Dad. »Als würde man im Jesse-Gestrüpp nach einem verwundeten Büffel suchen.« Täglich hörte man Berichte über Guerilla-Kämpfer, die in Tavernen und Kraals auf der Lauer lagen, um Farmer auf ihrem Weg in die Stadt zu überfallen. Ganz in der Nähe, wo die Davis’ wohnten, stießen Guerillas und Sicherheitskräfte aufeinander, der Lärm des Gewehrfeuers hallte durch das ganze Tal, was es fast unmöglich machte, den Ort des Gefechts zu bestimmen.
    Und so diskutierten Mum und Dad am Morgen des 9. Januar 1978 verschiedene Möglichkeiten. Unser Schulgeld war fällig, also mussten sie im Township am Stadtrand von Umtali einen geschlachteten Ochsen verkaufen, um das Geld für die Quästur zusammenzubringen. Außerdem hatte ein Wachstumsschub dafür gesorgt, dass Vanessa ein neues Paar Schuhe für die Schule benötigte. Mum biss sich auf die Lippe. »Am sichersten

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