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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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ist es, Bobo und Olivia in Mazonwe bei Rena zu lassen, meinst du nicht?«, sagte Mum. Ihr Blick fiel auf den Ochsen, der kaum auf die Ladefläche passte und Fliegen anzog. »Ist netter für die Kleinen, oder?« Mum hängte sich die Uzi vor die Brust, Dad schulterte das FN -Gewehr, und wir kletterten in den heißen Landrover, der vom metallischen Geruch des Ochsenbluts erfüllt war.
    »Ich krieg Schuhe, und du kriegst keine«, sagte Vanessa zu mir.
    »Hör auf, Bobo zu ärgern«, sagte Mum.
    Vanessa schnitt eine Fratze und formte mit den Lippen den Satz: »Ich darf in die Stadt fahren! Ich darf in die Stadt fahren!«
    Ich schnitt ebenfalls eine Fratze und flüsterte: »Ich darf zu Tante Rena! Ich darf zu Tante Rena!«
    Rena Viljoen, unsere Lieblingsnachbarin, war eine nette, patente schottische Krankenschwester, verheiratet mit einem afrikaansen Farmer. Ihre vier Kinder (auch sie mochten wir) waren alle älter als Vanessa und ich (ihr ältester Sohn war achtzehn und diente bei den Rhodesian Special Forces), und die Familie besaß einen Gemischtwarenladen ein paar Farmen westlich von Robandi. Der Laden war ein Kindertraum: salzig vom Trockenfisch und voller bunter Süßigkeiten, Seife und Perlen. Auf der Veranda saß ein Schneider, die Stoffstreifen surrten ihm durch die Finger, solange die Füße das Pedal traten: »Ka-thunka, ka-thunka, ka-thunka.«
    Und so blieben Olivia und ich an diesem Vormittag in der Regenzeit, an dem eine frische helle Sonne aus einem gewaschenen Himmel strahlte, bei Tante Rena. Wir standen am Schutzzaun und winkten dem Landrover nach, der Vanessa, Mum, Dad und den zerhackten Ochsen nach Umtali brachte. Als Mum sich aus dem Fenster lehnte, peitschte der Wind ihr das kastanienbraune Haar in den Mund. »Sei lieb und hilf Tante Rena, auf Olivia aufzupassen!«, rief sie. Wir sahen den Landrover am Ende der Straße nach rechts abbiegen – Mums Uzi und Dads FN -Gewehr schauten als Schutz gegen das Schlimmste, das der Krieg ihnen an den Kopf werfen konnte, zu den Seitenfenstern hinaus – und gingen zurück in den Laden.
    Damals dauerte die Fahrt in die Stadt über eine Stunde, weil die Konvois, die den Minensuchern folgten, nur langsam vorankamen. Dad setzte Mum und Vanessa vor dem OK Bazaar ab und fuhr weiter zum Markt im afrikanischen Teil der Stadt. Beim Bäcker Mitchell (dem Bruder von Doktor Mitchell) aßen Mum und Vanessa einen Hot Dog und tranken ein Coke, dann gingen sie zu Bata in der Main Street, um Schuhe für Vanessa zu kaufen. Hier fand sie am frühen Nachmittag der Ortspolizist von Umtali; Mum, einen braunen Schnürschuh in der Hand, beugte sich gerade über Vanessas bestrumpften Fuß. »Nicola?«, sagte er.
    Mum schaute hoch, die Lippen zu einem schiefen Lächeln verzogen. »Malcolm? Was machen Sie denn hier?« Aber als sie sein schmerzerfülltes Gesicht sah, ließ sie Vanessas Fuß fallen und richtete sich auf.
    Malcolm legte Mum die Hände auf die Schultern. »Nicola, es tut mir so leid. Es ist etwas passiert.«
    Mum bekam weiche Knie und sank in den roten Plastiksessel neben Vanessa. Der braune Schnürschuh fiel ihr aus der Hand. »Nein«, sagte sie. »Bitte nicht.«
    »Es tut mir so leid. Oh mein Gott.« Malcolm sah sich um. »Wo ist Tim?«
    Mum schloss die Augen, ihr Atem ging in kurzen Stößen, als hätte sie einen Schlag auf die Brust bekommen. »Fleisch verkaufen.« Sie schluckte. »Malcolm, was ist passiert?«
    Malcolm beugte sich hinunter, legte ihr die Hände auf die Schultern. »Es ist … Oh Gott, es tut mir so leid. Ihre Kleine …«
    »Nein, bitte nicht«, sagte Mum. Ihr stockte der Atem, das Blut wich aus ihrem Gesicht. »Nein … bitte, lieber Gott … nicht das Baby.« Und dann flüsternd: »Nicht mein Baby, bitte, bitte nicht mein Baby. Ist auf sie geschossen worden? Geht es ihr gut?«
    »Es tut mir so leid«, sagte Malcolm, der Griff um Mums Schultern wurde fester. »Sie ist tot.«
    Mum begann am ganzen Körper zu zittern. »Was? Sind sie überfallen worden? Sie ist … Ist sie erschossen worden? Was ist passiert? Ein Überfall?«
    »Sie ist … Rena hat uns angerufen. Sie ist ertrunken.«
    Mum schüttelte den Kopf, fassungslos vor der Unmöglichkeit. »Nein! Wie? Doch nicht ertrunken? Wer war das? Nein! Nein!« Sie stand auf und gab Malcolm einen Stoß. »Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht.« Tränenblind stolperte sie in die grelle Sonne auf der Main Street hinaus, ihr ganzer Körper gekrümmt vor Schmerz. »Nein! Nein! Nein!«
    Und doch lag Olivia jetzt bei

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