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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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geringschätzigen Konzentration eines siegesgewissen Boxers direkt in die Augen, dann senkt er seinen Blick auf Mannis verschwitztes T-Shirt, die Jeans und die staubigen Nikes.
    »Sie erlauben, dass ich mich ein wenig erleichtere?« Ohne Mannis Antwort abzuwarten, zieht der Chef der Kölschen Sioux sein mokkafarbenes Sakko aus, lockert seine Krawatte und öffnet den obersten Knopf seines kurzärmeligen Seidenhemds.
    Arschloch, denkt Manni, nickt aber nur leicht und lässt sich von Petermann zum Besprechungstisch dirigieren, wo eine fleißige Sekretärin inzwischen Kaffee, Mineralwasser und Kekse in Stellung gebracht hat.
    »Schreckliche Geschichte, ich hoffe, Sie finden Jonny bald.« Petermanns Stimme klingt jetzt nicht mehr ganz so arrogant. »Ein großartiger Junge.« Manni zieht sein Notizbuch aus der Hosentasche und entfaltet die Mitgliederliste der Kölschen Sioux. Irgendwann am Samstagnachmittag, vermutlich gegen 16 Uhr, ist Jonny in den Wald gegangen, das haben mehrere der Möchtegernindianer ausgesagt. Auch Jonnys Stiefvater hat um diese Zeit das Lager verlassen. Aber im Gegensatz zu seinem Jungen ist er am frühen Abend zurück ins Camp gekommen. Höchste Zeit, dass endlich jemand auspackt.
    »Herr Petermann, wann und wo haben Sie Jonny Röbel am Samstag zuletzt gesehen?«
    »Sie kommen direkt zur Sache.« Tadel? Zustimmung? Manni vermag das nicht zu entscheiden, Petermanns Stimme ist vollkommen sachlich. Er gießt Kaffee und Mineralwasser ein und schiebt ein Tablett mit Milchkännchen und Zuckerstreuer zu Manni hin.
    »Ein Junge ist verschwunden. Ich habe nicht viel Zeit.« Ein Junge ist tot, denkt Manni. Aber bislang ist das nur eine Vermutung.
    »Lassen Sie mich überlegen.« Petermann greift zum Milchkännchen. Ein fetter goldener Siegelring ziert seinen linken Ringfinger. Draußen auf dem Hof erwachen die Bagger mit sattem Rumpeln aus dem Mittagsschlaf.
    »Morgens habe ich Golf gespielt, im Camp war ich so gegen 13 Uhr. Frank und Jonny waren schon da«, sagt Petermann.
    »Und der Hund?«
    Überrascht sieht Petermann von seiner Kaffeetasse auf. »Der Dackel natürlich auch.«
    Was dann kommt, kennt Manni inzwischen schon auswendig, weil es in jeder einzelnen Zeugenaussage steht. Man hat es sich im Camp gemütlich gemacht, Holz fürs Lagerfeuer am Abend gesucht, geschwatzt, abgehangen, Faustball gespielt, die Nachtlager klargemacht, eine Gruppe ist zum Schwimmen gefahren und gegen 18 Uhr wiedergekommen, niemand hat wirklich aufgepasst, was Jonny gemacht hat, blablabla.
    »Wie haben Sie selbst den Nachmittag verbracht?«
    »Ich war im Lager, bis auf einen kleinen Spaziergang, so gegen 17 Uhr.«
    »Ist Ihnen dabei jemand begegnet?«
    Petermann zögert. »Spaziergänger. Jogger.«
    »Fremde also?«
    Wieder ein unmerkliches Zögern. »Ja. Fremde.«
    »Haben Sie mit jemandem gesprochen?«
    »Nein, mit niemand.«
    »Etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört?«
    »Ein Hund hat gebellt, ziemlich lange, regelrecht hysterisch. Das war etwas störend. Manche Besitzer haben ihre Köter leider nicht im Griff.«
    Ein Hund, dem ein Ohr abgeschnitten wurde. Manni zückt seinen Stift.
    »Wann war das genau?«
    »Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber ich war auf dem Rückweg. Also vor 17.30 Uhr.«
    Ein halbstündiger Spaziergang, zu wenig Zeit, um einen Jungen und seinen Hund zu töten und verschwinden zu lassen.
    »Was meinen Sie mit hysterisch?«
    Petermann zieht fragend die Augenbrauen hoch.
    »Klang das Bellen aggressiv? Könnte es sein, dass sich der Hund verletzt hatte?«
    »Ich weiß es nicht. Er hat gekläfft. Nervtötend und lange gekläfft.«
    »War es ein großer oder ein kleiner Hund?«
    »Ich bin weiß Gott kein Experte, aber eher klein, würde ich sagen.«
    Dr. D. Auf einmal scheint Petermann zu begreifen, worauf Manni hinauswill, und zum ersten Mal blitzt so etwas wie ein echtes Gefühl hinter seiner aalglatten Chefindianerfassade auf.
    »Sie glauben, dass das Jonnys Dackel … aber warum hätte der so verrückt bellen sollen?«
    »Es gibt Hinweise, dass Jonnys Hund verletzt worden ist.«
    »Verletzt?«, fragt Petermann.
    »Gibt es jemanden in Ihrem Club, der den Hund nicht mag?«
    Petermann breitet die Arme aus, was seinen Bizeps hervorragend zur Geltung bringt. »Ich bin dafür bekannt, dass ich Hunde nicht mag.«
    »Haben Sie Jonnys Dackel etwas getan?«
    »Natürlich nicht.«
    »Wer dann?«
    »Woher soll ich das wissen? Sicherlich war es niemand aus unserem Club.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil

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