Unter dem Eis
von mir aus.«
Mehr kann sie nicht erwarten. Wahrscheinlich hat sie Manni ohnehin ganz unnötig eingeweiht. Bevor irgendjemand sie vermissen kann, ist sie schon wieder zurück.
Ihr Flug wird aufgerufen und sie schaltet ihr Handy aus. Sie fühlt sich jung und frei, als sie der lächelnden Stewardess am Counter ihr Ticket gibt.
Kanada. Manni kommt nicht dazu, über die neuesten Eskapaden der Kollegin Krieger nachzudenken, denn kaum hat er sein Handy zurück in die Hosentasche geschoben, vibriert es erneut. Er schaut aufs Display. Rufnummer unbekannt. Bitte lass das nicht Mutter sein.
»Wir haben vielleicht was«, sagt die Stimme von Kurt, der das Gebiet bei der Schutzhütte durchkämmt. »Nancy spielt hier an einer Stelle verrückt, so wie gestern in der Hütte. Und ganz in der Nähe hängt eine Baseballkappe. Könnte von dem Jungen sein.«
»Wo?«
»Nahe dem Wanderweg, der nach Rath führt.«
Scheiße, das heißt, vom Indianercamp aus gesehen genau nicht Richtung Autobahn. Muss er also seine Theorie mit dem Rastplatz vergessen? Einiges spricht dafür. Auch nach drei Stunden haben sie in der Nähe des Rastplatzes keine Spur von dem Jungen und seinem Dackel gefunden, die Mitarbeiter der Klobetreiberfirma wollen nichts bemerkt haben, und Mr Snack, der seinen Imbisswagen tatsächlich pünktlich um zehn Uhr geöffnet hat, weiß ebenfalls nichts Erhellendes über das Foto von Jonny zu berichten. Ist ihm am Samstag etwas aufgefallen? Mehr Getränke als sonst hat er verkauft. Kaum verwunderlich bei dieser Affenhitze. Manni schaut auf seine Uhr. Mittag schon, er muss diesen Indianerclubchef befragen, der laut Petra Bruckner nun von einer Dienstreise nach Holland zurückgekehrt ist. Die meisten anderen Clubmitglieder hat die Bruckner schon vernommen. Aber ein kleiner Dauerlauf durch den Wald ist vorher noch drin, obwohl seine Nikes allein beim Gedanken daran zu qualmen beginnen. Nancy spielt verrückt wie gestern. Was, verdammtnoch mal, ist in diesem Wald los? Ein Junge, außer sich vor Angst. Ein verstümmelter Hund. Oder phantasieren sie sich das alles nur zusammen? Die Luft ist trocken und beißt in seiner Kehle. Zu viel Ozon, denkt Manni, kein Schwein hält das aus.
Die schwarze Baseballkappe mit der aufgestickten Raubkatze im Strecksprung hängt ein Stückchen abseits des Wegs in einem Brombeergestrüpp. Sie sieht neu aus, exakt so wie die, die Jonny laut Beschreibung seiner Eltern getragen hat. Wie ist diese Mütze in die Brombeeren geraten? Ist Jonny hier rumgestreift, und wenn ja, warum? Hat er seine Baseballkappe weggeworfen oder verloren? Hat jemand anders sie in die Brombeeren geworfen? Wer?
»Hier spielt Nancy verrückt.« Kurt deutet auf eine Stelle genau unterhalb der Mütze, an der sich die Ermittlungstechnikerin Karin zu schaffen macht. Sie schiebt ein Stück Baumrinde in eine Tüte und sieht Manni an, ohne ihren Mundschutz abzunehmen. »Könnte Blut sein, hier an der Rinde.«
Stehen sie hier vor einem Tatort, den der Täter makabrerweise mit Jonnys Mütze markiert hat? Manni schluckt. Und Blut von wem? Von dem Jungen oder vom Dackel?
»Ich schick es, so schnell es geht, ins Labor«, sagt Karin, als könne sie seine Gedanken lesen.
»Nancy zieht da rüber. Vermutlich ist wer auch immer hier war und Angst hatte, dort entlanggegangen«, erklärt Kurt.
Also weg von der Autobahn. Statt den Suchradius nach Spuren von Jonny einzuschränken, müssen sie ihn jetzt eher noch erweitern. Was ist hier in diesem verdammten Wald passiert? Ein Mord, denkt Manni. Der Junge ist ermordet worden. Warum denke ich das auf einmal? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es so ist.
Vierzig Minuten später parkt er den Vectra im Hof der Baufirma Petermann am Stadtrand von Köln-Rath. Sand, Kies, diverse Pflastersteine liegen in Haufen am Ende der gepflasterten Zufahrt. Ein halbwüchsiger Junge mit hellblond gefärbtem Haar verschwindet zwischen Baggern und Gabelstaplern, die verlassen in der Mittagshitze brüten, sonst ist niemand zu sehen. Hagen Petermann selbst residiert in einemBüro im Parterre, dessen Einrichtung teuer, wenn auch nicht sonderlich geschmackvoll wirkt. Der Blick auf die Baustoffe im Hof wird durch helle Jalousien verwehrt. Hinter einem gigantischen, tadellos aufgeräumten Schreibtisch lehnt ein geschnitzter indianischer Totempfahl an der Wand. Petermann selbst ist ein durchtrainierter Mann um die 50 . Er ist etwa 1, 85 m groß, wie Manni selbst. Einen Moment lang sieht er Manni mit der
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