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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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an nur wenige Geschenke, die er bekommen hatte, als er so alt gewesen war wie der Junge. Er konnte sich auch kaum an seine Mutter erinnern, nur an ihre Liebe. Selbst heute verstand er noch nicht, warum sie sich wie eine gemeine Hure verkauft hatte, um ihren Sohn zu ernähren, dessen Vater nichts von ihm ahnte.
    Dyer meldete: »Der Master läßt grüßen, Sir. Er macht sich Sorgen wegen unseres jetzigen Kurses. Für den nächsten Schlag müssen wir über Stag gehen. Das ist schwierig genug, selbst ohne die schwere Last auf der Trosse!«
    »Das denkt der Master also?« fragte Adam. »Und was ist Ihre Meinung?«
    Dyer wurde rot. »Ich hielt es für besser, wenn ich es melde, Sir. Als Vertreter von Mr. Urquhart hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen seine Unruhe zu melden, Sir!«
    Adam trat an die Karte zurück. »Recht getan!« Hatte Urquhart den Fehler seines Plans bereits entdeckt? Er würde sich als fehlerhaft erweisen. »Sie verdienen eine Antwort, genau wie Mr. Ritchie!«
    Dyer stockte der Atem, als Adam sich umdrehte und laut rief: »Das Skylight, John Whitmarsh! Öffne das Skylight!«
    Der Junge kletterte auf einen Stuhl, um es zu erreichen. Mit einer Hand umklammerte er immer noch den neuen Dolch.
    Adam hörte den Wind auf den Rumpf treffen und ahnte, wie er über die See gefaucht war – wie eine Brise über ein reifes Kornfeld. Wieder war der Ruf von oben zu hören:
»Zwei Segel in Nordost!«
    »Das ist die Antwort!« sagte Adam knapp. »Der Feind hat also nicht geschlafen, scheint mir.« Und dann an den Jungen gewandt: »Hol mir bitte mein Entermesser! Heute können wir beide uns anständig präsentieren!«
    Dann lachte er laut wie über einen privaten Witz: »Ein- undzwanzigster Juli 1813! Auch an diesen Tag wird man sich erinnern!«
    »Der Feind, Sir?« fragte Dyer laut. »Woher weiß man das schon?«
    »Zweifeln Sie daran?«
    »Aber, also… Wenn sie angreifen wollen, werden sie den Wind für sich nutzen. Dann haben sie alle Vorteile!« Er schien nicht innehalten zu können. »Ohne unseren Schlepp hätten wir noch eine Chance…«
    Adam sah den Jungen zurückkommen mit dem Entermesser des Kapitäns. »Eins nach dem anderen, Mr. Dyer. Lassen Sie Mr. Warren die Flagge Sieben für
Success
setzen. Dann lassen Sie achtern alle Mann antreten. Ich will zu ihnen sprechen!«
    Dyer fragte eingeschüchtert: »Werden wir kämpfen, Sir?«
    Adam schaute sich in der Kajüte um, vielleicht zum letzten Mal. Er zwang sich zu warten, auf Zweifel oder auf Schlimmeres, auf Furcht, die er bis zum Untergang der
Anemone
nicht gekannt hatte.
    »Seien Sie sicher, Mr. Dyer«, sagte er dann, »wir werden am Ende dieses Tages die Sieger sein!« Doch Dyer war schon davongeeilt.
    Er hob die Arme, damit der Junge das Entermesser einhaken konnte, so wie es sein Bootsführer George Starr zu tun pflegte, Starr, den man gehängt hatte für seine Taten, als die Flagge der
Anemone
schon unten war. Ohne zu merken, daß er laut sprach, wiederholte er: »Wir werden am Ende dieses Tages die Sieger sein!«
    Er blickte durch das offene Skylight und mußte lächeln. Es würde riskant werden. Dann verließ er die Kajüte, und der Junge folgte ihm, ohne zu zögern.
    Midshipman Francis Lovie setzte das Teleskop ab und wischte sich mit dem Handrücken über das nasse Gesicht.
    »Flagge Sieben, Sir!«
    Urquhart sah ihn grimmig an. Alles lief nach Plan, aber es war dennoch ein Schock: das private Signal des Kommandanten.
    Er nahm Lovie das Teleskop aus der Hand und richtete es auf das andere Schiff, auf sein Schiff. Wo man ihm vertraut hatte, wo einige ihn sogar geliebt hatten, als er zwischen dem tyrannischen Kapitän und der Mannschaft stand. Ähnlich war es wohl auf der
Reaper
zugegangen und auf zu vielen anderen Schiffen. Adam Bolithos Worte klangen wieder durch all seine Zweifel und Unsicherheiten.
Ich traue all denen nicht, die solch ein Privileg zurückweisen.
Er erkannte durch die Linien all die vertrauten Gestalten drüben wieder: Leutnant Dyer und neben ihm den jüngsten Offizier, Charles Gulliver, vor kurzem noch Midshipman. Genau wie der, der ihm hier für die gefährliche Aufgabe zur Seite stand. Lovie war siebzehn, und Urquhart glaubte gern, er selber habe eine wichtige Rolle gespielt, als er Lovie zu dem machte, was er heute war. Lovie würde bald seine Leutnantsprüfung ablegen.
    Er bewegte das Glas leicht und spürte warmen Schaum auf Mund und Haar. Ritchie war zu sehen und um ihn seine Gehilfen, die aufmerksam zuhörten. Und dann Barlow,

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