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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Spruch!«
    Am Abend nahm der Wind wieder zu und drehte zurück auf Nordost bei Nord. Urquhart wurde zur
Success
zurückgerudert und war auf halber Strecke schon naß bis auf die Haut.
    Doch irgendwie war ihm das egal. Der Vorhang konnte aufgehen. Und er war bereit für seine Rolle.
    Kapitän Adam Bolitho schritt über den schwarzweiß gemusterten Kajütboden und sah durch die großen Heckfenster nach draußen. Der Wind war nachts schwächer geworden, doch in kurzen, harten Böen meldete er sich immer noch und blies Gischt über das Schiff. Wie pladdernder Regen fiel sie von den nassen Segeln aufs Deck.
    Er sah die unscharfe Silhouette der zweiten Fregatte gänzlich verzerrt durch das Salz, das auf dem Fenster klebte. Sie peilte so extrem achteraus, daß man meinen konnte, sie triebe steuerlos.
    Es war schwer gewesen, im ersten Morgenlicht die Trosse nach drüben zu bringen. Die Arbeit verlangte harte, erfahrene Seeleute. Oder, wie Bootsmann Evan Jones bemerkte, »brutale Kraft und keine Angst vor nichts!« Sie hatten es dennoch geschafft. Und jetzt trieb die
Success
wie betrunken in jedem Windstoß und kämpfte gegen die Trosse wie ein Tier, das zum Schlachthof geführt wird.
    Aus dem Bug hörte er acht Glasen schlagen und wandte sich vom Fenster ab. Er sah sich in der großen Kajüte um. Hier lebte Keen also: Er hatte ihn fast am Tisch erwartet, wo er seine eigenen Karten in Griffweite plaziert hatte, so daß weder Ritchie noch seine Offiziere seine Besorgnis erkennen konnten, wenn Stunde um Stunde verflog. Er lehnte sich über den Tisch. Eine Hand lag auf der amerikanischen Küste. So hatte er seinen Onkel gesehen – mit der See zwischen den Händen übersetzte er Ideen in Taten.
Wir sind uns so ähnlich und dann wieder ganz fremd…
Er richtete sich auf und sah zum Skylight hoch. Jemand lachte oben. Urquhart hatte sein Wort gehalten. Vielleicht vermuteten manche, was er vorhatte, aber niemand wußte Genaues. Man konnte also immer noch lachen. Als Trevenen das Kommando hatte, hieß es, jeder Laut habe ihn gestört. Gelächter schien ihm wie Insubordination oder Schlimmeres.
    Neue Stimmen klangen von oben, und einen Augenblick meinte er, den Ausguck zu hören. Doch es war nur eine Arbeitsgruppe beim Spleißen, Nähen und Reparieren – das war das Los des Seemannes.
    Die Tür ging auf, und John Whitmarsh schaute ihn an.
    »Was ist los?« wollte Adam wissen.
    »Sie haben Ihr Frühstück nicht mal angerührt, Kapitän. Der Kaffee ist auch kalt.«
    Adam saß in einem von Keens Stühlen und meinte nur: »Das heißt nichts.«
    »Ich kann Ihnen frischen Kaffee holen, Sir.« Der Junge entdeckte die Karte und sagte langsam: »Kap Breton…«
    Er zögerte, seine Lippen bewegten sich, als er die großen Buchstaben oben am Rand der Karte entzifferte. »Bis zur Delaware Bucht.« Er drehte sich um und sah ihn mit glänzenden Augen an: »Ich hab’s gelesen, Sir. Genau wie Sie gesagt haben!«
    Adam ging in die Kabine nebenan, weil er die Erregung und die Freude des Jungen kaum aushallen konnte.
    »Komm mal eben her, John Whitmarsh!«
    Er öffnete seine Seekiste und nahm ein Päckchen raus.
    »Weißt du, welches Datum heute ist?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Sonnabend, nehme ich an, Sir!«
    Adam hielt ihm das Päckchen entgegen. »Der einundzwanzigste Juli. Den Tag werde ich nie vergessen. An diesem Tag wurde ich Kapitän mit vollem Rang!« Er versuchte ein Lächeln. »Im Logbuch der
Anemone
ist dieser Tag auch vermerkt als Datum, an dem du freiwillig in die Marine eintratst. Es ist dein Geburtstag.« Noch immer starrte der Junge ihn an. Mit belegter Stimme sagte er: »Hier, nimm’s. Es gehört dir!«
    Der Junge öffnete das Päckchen wie etwas Gefährliches und hielt die Luft an: ein meisterhaft gearbeiteter Dolch in einer glänzenden Scheide. »Für mich, Sir?«
    »Ja. Trag ihn. Du bist jetzt dreizehn Jahre alt. Leicht hast du’s bisher nicht gehabt, oder?«
    John Whitmarsh starrte ihn immer noch an: »Meiner?« Mehr sagte er nicht, konnte er nicht sagen.
    Adam drehte sich um und entdeckte im Gang William Dyer, den Zweiten Offizier, der sie anstarrte.
    Dyer schien ein verläßlicher Offizier zu sein, und Urquhart hatte ihn gelobt. Doch das hier war eine einmalige Gelegenheit für neue Geschichten. Was er gerade gesehen hatte, würde bald jeder im Schiff wissen. Der Kommandant schenkte seinem jungen Diener etwas! Er verlor die Kontrolle!
    »Nun, Mr. Dyer?« fragte Adam. Laß sie denken, was sie wollen. Er erinnerte sich

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