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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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oberen Decks, über das gelegentlich Schaum über die Gangway oder vom Bug her wehte, konnte er sich die anderen gut vorstellen. Es war so ganz anders als sonst, wenn nervenaufreibendes Trillern zu hören war und das Rasseln der Trommeln, die alle Mann auf Station riefen; das geordnete Chaos, mit dem das Schiff vom Bug bis zum Heck klar zum Gefecht gemacht wurde. Dünne Wände wurden abgeschlagen, Möbel, persönlicher Besitz und Seekisten wurden in die unteren Decks unter der Wasserlinie geschleppt oder gehievt, wo sich der Schiffsarzt und seine Gehilfen vorbereiteten, fern der Unruhe vor der Schlacht. Ihre Arbeit würde man ihnen schon bringen. Doch diesmal war klar Schiff zum Gefecht fast ein Freizeitvergnügen gewesen. Die Männer bewegten sich zwischen vertrauten Blöcken und dem Rigg, als herrsche helles Tageslicht.
    Wie befohlen hatten die Männer wachweise ein warmes Frühstück bekommen. Dann war das Feuer in der Kajüte gelöscht, der letzte Tropfen Rum getrunken worden.
    Tyacke blieb an der Achterdecksreling. Offiziere und Läufer wirbelten um ihn herum wie seine personifizierten Gedanken. York, der Segelmaster mit seinen Gehilfen, Daubeny, der Erste Offizier, dem ständig ein junger Midshipman auf dem Fuße folgte wie ein Hund.
    Und auch den Niedergang achtern, wo er mit Sir Richard auf und ab gegangen war, konnte Avery sich vorstellen. Wo alle Kommandos an ein Schiff oder ein Geschwader begannen oder endeten. Er lächelte, als er sich an Alldays Worte erinnerte: »Achtern die größte Ehre, vorn die besten Männer.« Bolitho hatte seine Uhr dicht an das Kompaßlicht gehalten und gesagt: »Entern Sie auf, George, mit einem guten Teleskop. Ich muß es sofort wissen. Heute sind Sie meine Augen.«
    Und dann wieder Allday, der ihm Hut und Säbel abgenommen hatte. »Die finden Sie hier, wenn Sie sie brauchen. Ich möchte nicht gern, daß sich unser Flaggleutnant in den Püttingswanten verheddert, oder?«
    Er hatte den Brief geschrieben, um den Allday ihn gebeten hatte. Einen sehr liebevollen. Avery konnte sich fast vorstellen, wie Unis den Brief öffnete, ihn las und dann ihrem Bruder davon berichtete und ihn sicher auch dem Kind hinhielt.
    Er schüttelte den Kopf, verjagte solche Gedanken und kletterte weiter. Lange bevor die Briefe England erreichten, könnten sie vielleicht schon alle tot sein.
    Er sah jetzt die Fockmars für die Scharfschütze n über sich und dachte an Alldays Bemerkung über die Püttingswanten. Erfahrene Kletterer würden um die Plattform herum ohne Zögern weiter nach oben klettern, würden an Lee weit nach draußen hängen und nur die See unter sich haben. Die Fockmars war eine quadratische Plattform, die von einer niedrigen Wand geschützt wurde. Hinter ihr konnten die Scharfschützen sich ihre Ziele auf dem feindlichen Schiff aussuchen. Ähnlich sahen die Marse der anderen Masten aus. Über ihnen führten Wanten und Stage zu den oberen Rahen und noch weiter.
    Der Fockmast war der wichtigste und komplizierteste des Schiffes. Er trug nicht nur die größten Großsegel und Bramsegel, sondern war auch mit dem Bugspriet über das Rigg verbunden und mit der kleinen, wichtigen Fock und den Stagsegeln. Jedesmal wenn ein Schiff wenden wollte und durch den Wind ging, würden die kleinen Vorsegel wie Sporen oder Bremsen wirken, die verhinderten, daß sie bewegungslos liegenblieb – mit nutzlosen Segeln, backschlagend und gegen die Masten gedrückt, unfähig, in die eine oder andere Richtung zu laufen. Mitten im Nahkampf konnte die Unfähigkeit zu manövrieren den Tod eines Schiffes bedeuten.
    Er dachte an Tyacke und York und Männer wie sie, die wahren Könner. Wer an Land würde je die Kraft und das Können solch feiner Seeleute einschätzen können, wenn er ein Schiff des Königs sich unter Vollzeug den Englischen Kanal hinunterkämpfen sah?
    Er zog sich an den Wanten empor und entschied sich für den leichteren Weg in die Fockmars durch eine kleine Öffnung, das Landrattenloch, wie die alten Teerjacken es nannten.
    Hier oben hockten schon vier Seesoldaten. Ihre gekreuzten Brustriemen und die Winkel auf dem Ärmel des Korporals waren in der Dunkelheit gut sichtbar.
    »Guten Morgen, Sir. Ein schöner Tag für einen Ausflug!«
    Avery nahm das Teleskop vom Rücken und lächelte. Das war das Schicksal eines Flaggleutnants – er war weder Fisch noch Fleisch und schien immer wie ein Fremder unter allen. Als Offizier gehörte weder ein Mast noch eine Gruppe Kanonen zu seinem Aufgabenbereich. Er

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