Unter dem Georgskreuz
mehr als jeder andere, durch wie viele Pläne und Einzelheiten sich der Admiral durcharbeiten mußte, bevor er aus diesem Papierkrieg schließlich die schriftlichen Befehle für seine Kapitäne formulieren konnte. Wie Bolithos anderer Ergebener, der schweigsame Diener Ozzard, besaß auch Yovell ein kleines Haus auf diesem Gelände, Allday hatte früher, wenn er an Land war, darin gewohnt. Yovell lächelte amüsiert. Bis Allday plötzlich ein ordentlich verheirateter Mann geworden war.
Durch das Fenster entdeckte er eine Katze, die lauernd auf jemanden wartete, der ihr die Tür öffnete. So war auch Allday, immer auf der falschen Seite der Tür: Auf See machte er sich Sorgen über seine Frau und das kleine Gasthaus in Fallowfield – und nun war auch noch das Baby dazugekommen. Und zu Hause klagte er, daß er an Land bleiben müßte, wenn Bolitho auf sein Flaggschiff zurückkehrte. Yovell kannte solche häuslichen Probleme nicht. Er wußte, daß Bolitho ihn sofort von Bord lassen würde, wenn er seine jetzige Tätigkeit aufgeben wollte. Er wußte auch, daß ihn viele für ziemlich verrückt hielten, sein Leben auf einem Kriegsschiff aufs Spiel zu setzen.
Er sah, wie Bolitho mit seiner kräftigen Hand die Papiere durchblätterte, in denen er fast den ganzen Morgen lang gelesen hatte. Erst vor einer Woche war er aus London zurückgekehrt und hatte dennoch die meiste Zeit mit Sachen aus der Admiralität zu tun gehabt. Lady Catherine Somervell hatte ihnen zugewinkt, als sie das Haus verließ, um den Nachbarn Lewis Roxby zu besuchen, den König von Cornwall, wie man ihn hinter seinem Rücken gern nannte. Roxby war mit Bolithos Schwester Nancy verheiratet. Yovell hielt es für gut, daß Catherine auf diese Weise eine Familie hatte, die sie besuchen konnte, wenn alle auf See waren.
Er bewunderte sie sehr, auch wenn er wußte, daß viele Männer sie eine Hure nannten. Als die
Golden Plover
vor der afrikanischen Küste auf ein Riff lief und sank, war Bolithos Frau bei ihnen gewesen. Sie hatte nicht nur die Härte der Reise in einem offenen Boot überlebt, sondern hatte sie alle irgendwie zusammengehalten, hatte ihnen Herz und Mut gestählt, als alle glaubten, nicht zu überleben.
Bolitho sah jetzt zu ihm auf, außergewöhnlich ruhig und ausgeruht. Zwei Wochen waren sie von London aus unterwegs gewesen, hatten immer wieder Kutsche und Pferde gewechselt und hatten immer wieder wegen Überflutungen und umgerissenen Bäumen Umwege nehmen müssen. Ihr Bericht hatte wie ein Alptraum geklungen.
Bolitho sagte: »Wenn Sie die Papiere bitte kopieren würden! Ich möchte sie dann so schnell als möglich zu Ihren Lordschaften auf den Weg gebracht wissen.« Er reckte seine Arme und dachte wieder an den Brief, der ihn bei seiner Ankunft erwartet hatte. Er kam von Belinda, doch man merkte, daß ihr ein Rechtsanwalt die Feder geführt hatte. Sie verlangte mehr Geld, eine beachtliche Aufstockung der Apanage für sich und ihre Tochter Elizabeth. Er rieb sein verletztes Auge. Seit seiner Rückkehr hatte er damit kaum Probleme gehabt. Die graue Ruhe eines Winters in Cornwall tat ihm wohler als blitzende Sonne und die Spiegelungen der See.
Elizabeth. In ein paar Monaten würde sie elf Jahre alt, ein Kind, das er kaum kannte, noch je kennenlernen würde. Belinda würde dafür schon sorge n. Er fragte sich manchmal, was wohl ihre Freunde in der feinen Gesellschaft von der eleganten Lady Bolitho denken würden, wenn sie wüßten, daß sich Belinda mit Catherines Mann verbündet hatte. Unter falscher Anklage sollte sie schließlich wie ein gemeiner Dieb verbannt werden. Catherine sprach jetzt nicht mehr darüber, aber vergessen konnte sie es nicht. Und wie er würde auch sie so etwas nie vergeben. Seit ihrer Rückkehr hatten sie jeden Tag voll genossen, weil sie wußten, daß die Zeit nicht auf ihrer Seite stand. Nach tagelangem stetigem Südwestwind waren Straßen und Wege jetzt fester. Sie waren viele Meilen über den Besitz geritten, hatten Roxby besucht, dem es nach seinem Schlaganfall immer noch nicht gutging. Ein armer Kerl, der seinen aufwendigen Lebensstil sehr liebte, das Trinken, die Jagd. Er bewirtete zahlreiche Gäste immer wieder sehr großzügig auf dem benachbarten Besitz und versuchte, die Freuden eines Gentlemans mit den Pflichten eines Gutsherren und Friedensrichters zu verbinden. Mit dem Prinzregenten stand er auf vertrautem Fuß und hatte möglicherweise seinen Adelstitel aufgrund solch freundschaftlicher Beziehungen
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