Unter dem Georgskreuz
schweigend weiter. Die Pferde folgten ihnen. Oben auf dem Kamm sahen sie die See. Sie fühlte seinen Griff auf ihrem Arm fester werden. So als schaue er seinem Gegner genau ins Gesicht.
Aufbruch am Morgen
Kapitän Adam Bolitho zog sich den Bootsmantel enger um die Schultern, als die Jolle kräftig nach draußen in den Solent gepullt wurde. Ein seltsamer Abschied von Portsmouth, dachte er. Ohne Schnee war alles wieder wie sonst. Geräusche, Geschäftigkeit, marschierende Männer – und dann viele Boote. Sie trieben wartend an den Treppen, um Offiziere zu ihren ankernden Schiffen zu bringen.
Doch dies war nicht sein Schiff. Er hatte die Bootsfahrt nur kurz unterbrochen, um auf die Fregatte Zest zu steigen, dort einige Papiere zu unterzeichnen und so schnell als möglich seinen Abschied zu nehmen. Sie hatte tapfer gekämpft. Ohne sie hätte selbst die beachtliche Artillerie der
Indomitable
es nicht geschafft, die Yankees zur Aufgabe zu zwingen. Doch weiter ging es auch nicht. Die
Zest
war nie sein Schiff geworden, und er hatte auch nichts unternommen, sie dazu zu machen. Sein Schiff ruhte auf dem Grund des Meeres. Ihre schöne Galionsfigur starrte in die tiefe Dunkelheit, wohin das Schiff so viele Männer mitgenommen hatte.
Der Midshipman, der die Jolle führte, war sich des Rangs und des Rufs seines Passagiers wohl bewußt. Der Name Bolitho hatte das ganze Schiff vor Gerüchten schwirren lassen.
Adam schaute auf die Kisten vor sich. Alle neu, jede einzelne. Auch der Kampfsäbel, den er mit Sorgfalt ausgesucht hatte, war neu. Alles andere ruhte im Wrack der
Anemone.
Er schaute auf seinen kleinen Begleiter. John Whitmarsh, der einzige, den man aus dem Meer gezogen hatte, hatte fast zwei Jahre auf der Anemone gedient, ehe sie unterging. Ein Kind noch. Sein »Onkel« hatte ihn als Freiwilligen in die Marine gebracht, nachdem der Vater des Jungen, ein Hochseefischer, bei den Goodwin Sands ertrunken war. Adam hatte bei ihm großen Stolz und Dankbarkeit gespürt, als er ihn gefragt hatte. Der Junge wußte immer noch nicht, daß er die Rettungsleine für den Kapitän gewesen war – nicht umgekehrt.
Unbewegt meldete der Midshipman: »Da liegt sie, Sir!« Adam drückte sich den Hut fester auf den Kopf. Da lag die
Wakefield
, eine Fregatte mit 38 Kanonen, ein schwer mitgenommenes Schiff, das wie die meisten seiner Art ständig im Einsatz war. Jetzt erledigte sie ihre letzten Aufgaben vor dem Ankeraufgehen, nahm Frischwasser auf, Früchte, falls es sie gab, und natürlich Männer. Selbst eine hartgesottene Preßgang hätte Probleme, in einer Hafenstadt noch geeignete Kerle zu finden.
Wieder sah er zu dem Jungen herunter. Die fesche neue Jacke und die weißen Hosen hatten ihn kaum verändert. Ozzard hatte ihm einiges beigebracht. Den Rest würde er schnell genug selber lernen. Er hatte einen hellen Kopf und ließ sich nicht anmerken, ob er nervös war, unter seinen früheren Erlebnissen noch litt oder sich an seinen besten Freund erinnerte, der als Schiffsjunge im gleichen Alter abgetrieben war, ohne daß man ihn hätte retten können.
Adam hatte einen Brief an seine Mutter geschrieben. Hätte sie um seine Rückkehr gebeten, hätte er dafür gesorgt, daß der Junge an Land und sicher in ihre Obhut zurückgekehrt wäre. Er hatte keine Antwort erhalten. Vielleicht war sie verzogen oder hatte sich mit einem anderen »Onkel« eingelassen. Wie auch immer, es schien Adam, als sei sein junger Schützling damit ganz zufrieden.
Er musterte die Fregatte kritisch. Ein gutes Rigg, die Segel sauber aufgetucht. Sie sah sehr ordentlich aus. Er konnte schon die blauen und scharlachroten Uniformen der Ehrenwache an der Relingspforte entdecken. Vom Kapitän wußte er nur, daß dies sein erstes Kommando war. Es beschäftigte ihn nicht weiter, merkte er. Dies war nicht seine Aufgabe. Er war nur Passagier, genau wie Konteradmiral Keen, der morgen eintreffen würde. Er lächelte kurz. Also eine unbequeme Last für den Kommandanten.
Er dachte mit Wärme an seinen Onkel. Wie nahe sie sich gewesen waren nach seiner Flucht aus amerikanischer Gefangenschaft. Sie alle würden sich wieder in Halifax treffen. Immer noch wußte er nicht, warum er Keens Angebot angenommen hatte. Aus einem Schuldgefühl heraus? Um allen Verdacht von sich abzulenken? Beides war es nicht, das wußte er. Er hatte es aus einem Gefühl heraus getan, als bestimme jemand über ihn. Er dachte zurück an Zennor, die Stille des Orts, das Rauschen der See am Fuß der Felsen. Ihr
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