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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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bekommen. Der dringende Rat seiner Ärzte, Ruhe zu halten und seine Geschäfte gelassener anzugehen, war für ihn wie ein Todesurteil.
    Er dachte an die lange Fahrt nach Hause auf den elenden Landstraßen. Catherine war es dennoch gelungen, Freude zu verbreiten trotz all der Unbequemlichkeiten. Einmal mußten sie wegen einer gewaltigen Überschwemmung umdrehen und in einem kleinen schäbigen Gasthaus einkehren. Ihre Mitreisenden waren ziemlich entsetzt: zwei fein gekleidete Kirchenmänner und ihre Frauen auf dem Weg zu ihrem Bischof.
    Eine der Damen meinte ärgerlich: »Niemand dürfte einer Dame eine derartige Unterkunft zumuten!« Und dann wollte sie von Bolitho wissen: »Mich würde interessieren, was Ihre Frau dazu zu sagen hat!«
    Catherine hatte an seiner Stelle geantwortet: »Wir sind gar nicht verheiratet.« Sie hielt seinen Arm fester als sonst. »Dieser Offizier entführt mich gerade!«
    Ihre Mitreisenden hatten sie daraufhin nicht wiedergesehen. Entweder hatten sie auf eine andere Kutsche gewartet oder hatten sich in der Nacht davongemacht.
    Das Zimmer war feucht und an einigen Stellen sogar schimmlig, weil es so selten gebraucht wurde. Doch der Besitzer, ein freundlicher, kleinwüchsiger Mann, machte schnell ein Feuer im Kamin. Das Abendessen, das er ihnen servierte, hätte selbst den hungrigsten Midshipman gesättigt.
    Dann schlug der Regen gegen das Fenster, die Schatten des Feuers umtanzten sie. Sie sanken in das Federbett und liebten sich mit solcher Hingabe, als seien sie wirklich auf der Flucht.
    Adam hatte einen kurzen Brief geschrieben. Darin teilte er mit, er sei mit Valentine Keen auf dem Wege nach Halifax und bat um Verzeihung, daß er sie in Falmouth nicht habe besuchen können.
    Am liebsten wollte er die Situation der beiden gar nicht überdenken. Adam und Keen, Flaggkapitän und Admiral, die zusammenarbeiten mußten.
Wie James Tyacke und ich.
Und doch ganz anders. Die beiden Männer hatten dieselbe Frau geliebt – und Keen ahnte davon nichts. Ein Geheimnis teilen, heißt eine Schuld teilen, dachte Bolitho.
    In jener Nacht, in der sie von ihrer Liebe erschöpft in jenem Gasthaus geruht hatten, hatte Catherine ihm ein weiteres Geheimnis anvertraut. Sie war mit Keen nach Zennor gereist, zu dem Friedhof, auf dem Zenoria begraben lag. Das waren von Falmouth aus gute dreißig Meilen. Sie hatten in Redruth bei Freunden der Roxbys übernachtet.
    Sie sagte: »Wenn wir irgendwo anders abgestiegen wären, hätte es wieder neuen Klatsch und Tratsch gegeben. Das konnte ich nicht riskieren – es gibt immer noch zu viele, die uns nichts Gutes wünschen.«
    Als Keen allein am Grab stand, hatte sie mit dem Kirchendiener gesprochen, berichtete Catherine weiter. Er war auch der Friedhofsgärtner. Sein Bruder, der Tischler, so erzählte er, baute die Särge für alle Toten aus dem Dorf und von den umliegenden Höfen.
    Sie sagte: »Ich dachte, ich sollte ihn darum bitten, dafür zu sorgen, daß immer frische Blumen auf dem Grab liegen.«
    Bolitho drückte sie im flackernden Kaminlicht an sich, fühlte ihre Trauer bei der Erinnerung an diese Ereignisse.
    Dann sagte sie: »Aber er wollte kein Geld annehmen, Richard. Er sagte mir, daß ein junger ›Seekapitän‹ das schon mit ihm besprochen hätte. Ich ging danach in die Kirche. Und ich konnte wieder Adams Gesicht sehen wie an jenem Tag, als Val und Zenoria geheiratet haben.«
    Welch seltsames und verdrehtes Schicksal hatte Adam und Keen zusammengeführt? Es konnte beide wieder aufrichten, sie aber ebenso leicht auch zerstören.
    Yovell putzte seine kleine, goldgeränderte Brille. »Wann wird Mr. Avery zu uns stoßen, Sir Richard?«
    Bolitho sah ihn nachdenklich an. Ein Mann mit vielen Gesichtern. Es hieß, Yovell sei eine Zeitlang Lehrer gewesen. Das mochte er glauben. Schwerer konnte man sich ihn im Boot der
Golden Plover
nach dem Untergang vorstellen. Seine Hände, denen die harte Matrosenarbeit fremd war, pullten aufgerissen und blutig die Riemen, sein Gesicht war von der Sonne rot verbrannt. Doch nicht ein einziges Klagewort kam über seine Lippen. Ein Gelehrter, ein Mann der seine Bibel so liebte wie andere das Würfelspiel. Selbst seine eher beiläufige Frage nach dem Flaggleutnant bekundete sein echtes Interesse. Vielleicht waren sie aus gleichem Holz geschnitzt, auf ihre Weise besessen. George Avery war ein stiller, oft in sich gekehrter Mann; selbst Sillitoe schien über seinen Neffen wenig zu wissen. Oder er war ihm gleichgültig. Sillitoes Schwester

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