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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Ein knapper Sieg, doch in jedem Seegefecht gibt es immer nur einen Sieger.
    Die
Reaper
hätte nichts mehr ausrichten können. Man hatte sie als treibendes Wrack aufgeben müssen. Aber die, die gekämpft und jenen Tag überlebt hatten, erinnerten sich an sie als ein Schiff, das sich ergeben hatte, obwohl die Schlacht um sie herum noch tobte. Ihre Lordschaften wußten in dieser entscheidenden Phase des Kriegs den Wert selbst einer kleinen Fregatte genau einzuschätzen. Jedes Schiff war nur so stark wie sein Kommandant. Hast und Eile und der Wunsch zu vergessen hatten eine Rolle gespielt, doch auch an diesem hellen Frühlingsmorgen, an dem die Sonne zwischen den hängenden und flappenden Segeln hindurch auf das Deck brannte, war die Schande noch zu spüren. Weniger als die Hälfte der jetzigen Besatzung gehörte zur ursprünglichen der
Reaper
. Viele waren im Kampf gefallen, andere so schwer verwundet, daß man für sie keine weitere Verwendung hatte. Doch in dem kleinen, eng zusammenarbeitenden Geschwader war die
Reaper
wie eine Aussätzige. Ihre Schande mußten alle mittragen.
    Der Kommandant kam aus seinen Gedanken hoch. Er sah den Ersten Offizier nach achtern kommen und hier und da mit Arbeitsgruppen sprechen. Sie waren in derselben Stadt aufgewachsen und als Midshipmen fast zur gleichen Zeit in die Marine eingetreten. Trotz seiner Jugend war der Erste ein erfahrener und kluger Offizier. Nur einen Fehler hatte er: Er unterhielt sich gern mit den Männern, selbst mit den neuen, noch untrainierten, als stünden sie mit ihm auf gleichem Fuße. Das mußte anders werden.
Reaper
mußte wieder in die nötige Kampfbereitschaft gebracht werden, und an Bord hatte wieder der richtige Ton zu herrschen – unter allen Umständen. Er verzog seine Lippen. Es gab noch eine Verbindung zwischen ihnen. Er hatte um die Hand der Schwester des Ersten Offiziers angehalten und würde sie heiraten. Das nächste Kommando wäre also entscheidend… Er unterbrach sein Nachdenken, als von oben der Ruf kam: »Signal von der
Alfriston
, Sir!«
    Der Kommandant fuhr einen der aufmerksam wartenden Midshipmen an: »Schnappen Sie sich ein Glas und kriegen Sie raus, was der Narr da oben meint.«
    Der Erste Offizier war zu ihnen getreten. »Ich fürchte, der Ausguck hat keinerlei Erfahrung im Erkennen von Signalen, Sir!«
    »Dann bringt er sich das besser sehr schnell bei, verdammt noch mal, oder ich seh mir sein Rückgrat auf der Gräting an. Wahrscheinlich bedeutet das alles aber gar nichts.«
    Ein Kommando war zu hören, und ein paar Männer eilten eifrig an die Bootshalterung. Der Erste Offizier hatte sich daran schon gewöhnt, obwohl er es nicht akzeptieren wollte: das Schweigen an Bord, der eilfertige Gehorsam, jeder Befehl wurde rasend schnell befolgt.
    Der Kommandant sagte: »Wenn wir neue Befehle erhalten und die
Killarney
endlich los sind, erwarte ich täglichen Segel- und Kanonendrill, bis wir ordentliche Zeiten erreichen. Ich werde keine Lahmheit dulden – von niemandem.«
    Der Erste Offizier sah ihn an und schwieg. Was hatte den Offizier so verändert, der bereits erfolgreich ein Kommando innegehabt hatte?
Würde ich mich auch so ändern?
    Heute nachmittag würde die Trommel wieder zur Bestrafung rufen. Zwei Auspeitschungen an der Gräting, beides harte Strafen. Doch wenigstens eine hätte man nicht zu verhängen brauchen, oder sie wesentlich milder ausfallen lassen können. Das Rollen der Trommeln und der Knall der Peitschenhiebe auf einem nackten Männerrücken – immer wieder und immer wieder, bis man glauben konnte, ein wildes Tier habe sich über den Mann hergemacht und seinen Körper zerfetzt.
    Wenn er seine Meinung zu derartig harten Strafen geäußert hatte, zumeist auf Drängen von jüngeren Offizieren oder Midshipmen, hatte sein Kommandant ihn abgewiesen: »Beliebtheit ist ein Mythos, eine Täuschung. Nur Gehorsam und Disziplin zählen – jedenfalls für mich und auf meinem Schiff.«
    Vielleicht würde sich alles ändern, wenn sie erst einmal wieder in Halifax wären.
    Fast ohne nachzudenken, meinte er dann: »Es scheint so, als ob Sir Richard Bolitho seine Flagge wieder in Halifax gesetzt hat, Sir!«
    »Vielleicht.« Der Kapitän dachte nach, suchte nach irgendeiner verborgenen Bedeutung. »Ein Flaggoffizier mit einem Namen. Doch man darf nie vergessen, ein Admiral ist immer nur so stark wie seine Kapitäne – und was sie leisten!«
    Der Erste Offizier hatte nie unter Sir Richard Bolitho gedient, doch wie vielen anderen

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