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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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einer Flaute. Ihre Segel hingen bewegungslos, der Wimpel im Mast leblos. Vor ihrem Bug sah man zwei Boote liegen. Müder Riemenschlag versuchte sie in Position zu halten, bis der Wind endlich wieder wehte.
    Sie war jetzt fast am Ende ihrer Reise. Für zwölfhundert Meilen von Kingston, Jamaica, hatte sie fast zwei Wochen gebraucht. Gestern in der Dämmerung hatten sie den dreißigsten Breitengrad überquert, und morgen im Frühlicht würden sie, wenn der Wind sie endlich wiederfände, die farbigen Buckel der Bermudas sehen können.
    Sie hatte Begleitschutzaufgaben, eine elende Aufgabe für jedes schnelle Kriegsschiff. So etwas war notwendig, aber ermüdend. Ständig mußten die Segel getrimmt werden, damit sie in der Nähe ihrer behäbigen Schützlinge auf Station blieb. Das erschöpfte die Geduld selbst des willigsten Kommandanten. Diesmal mußte nur ein einziges großes Handelsschiff zu den Bermudas begleitet werden; alle anderen waren unter sicherem Schutz zu den anderen Inseln unter dem Winde unterwegs. Das schwer beladene Schiff, die
Killarney
, würde bei den Bermudas einen Konvoi treffen, der mit starkem Begleitschutz nach England weitersegelte. Viele Seeleute hatten in die leblosen Segel geschaut, voller Neid und Heimweh bei dem bloßen Gedanken. Die einzige Begleitung der
Reaper
war eine kleine, kräftige Brigg, die
Alfriston
. Sie hatte, wie viele der hart geforderten Schiffe dieser Bauart, ihren Dienst in der Handelsmarine begonnen. Dann hatten die Forderungen des Krieges ihr neue Aufgaben zugeteilt. Mit einem guten Fernrohr konnte man sie weit hinter dem Handelsschiff entdecken. Sie lag in einer Flaute, zeigte ihr Heck und erinnerte an eine Motte, die auf dem Wasser gelandet war.
    Wenn sie den langsamen Schützling erst einmal losgeworden war, wäre die
Reaper
wieder frei. Was also unterschied sie von anderen Fregatten, die sich über alle Widrigkeiten und Katastrophen des Krieges erhoben hatten und zu Legenden geworden waren?
    Vielleicht war es die Stille. Obwohl sie mehr als einhundertfünfzig Offiziere, Seeleute und Seesoldaten an Bord hatte, erschien sie leblos. Nur das gelegentliche Flappen leerer Segel gegen Rahen oder Wanten oder das seltene Kreischen des Ruders unterbrach die unnatürliche Ruhe. Ihr Deck war sauber und wie der ganze Rumpf neu gestrichen und gut gepflegt. Kaum eine Narbe verriet etwas von den Verletzungen, die sie – wie die anderen Schiffe auch, die mitgefochten hatten – an jenem Septembertag 1812 erlitten hatte. Ihre wirkliche Verletzung reichte wie eine Schuld sehr viel tiefer – die Schande.
    An der Achterdecksreling stand der Kommandant der
Reaper
mit gekreuzten Armen, eine Pose, die er bei tiefem Nachdenken gern einnahm. Mit seinen siebenundzwanzig Jahren war er bereits Kapitän mit vollem Rang. Seine helle Haut ließ nichts von der Hitze der Karibik oder den überraschenden Wutanfällen des Atlantiks ahnen. Ein ernstes Gesicht, das man gefällig nennen konnte, wenn die Lippen nicht so schmal gewesen wären. Viele würden ihn einen Mann mit Fortune nennen, auf dem richtigen Posten für die nächste Beförderung. Dies war der erste operative Einsatz der
Reaper
nach Abschluß der Reparaturen in Halifax und auch sein erster Einsatz als Kommandant. Ein notwendiger Schritt, aber er wußte auch, warum er das Kommando übernommen hatte. Sein Vorgänger war alt für seinen Rang. Als sehr erfahrener Mann hatte er die geordneten Dienste der Ostindischen Handelsgesellschaft verlassen und war in die Königliche Marine zurückgekehrt. Hier war er der Unbarmherzigkeit des Kriegs zum Opfer gefallen.
    Reaper war schon auf weite Entfernung von der gewaltigen Artillerie der amerikanischen Schiffe beschossen worden. Man sprach von einer einzigen Breitseite, doch von den Teilnehmern des Gefechts konnten sich nur wenige genau erinnern. Die Reaper wurde fast gänzlich entmastet, fallende Rahen und stürzendes Rigg begruben ihr Deck, ihre Mannschaft war zerschossen. Die meisten Offiziere waren zusammen mit dem tapferen Kapitän sofort gefallen. Wo einst Ordnung herrschte, tobten jetzt Chaos und Terror. Zwischen den umgestürzten Kanonen hindurch und über die zersplitterten Decks hinweg hatte jemand die Flagge niedergeholt. Und um sie herum hatte weiter der Kampf getobt, bis die amerikanische Fregatte Baltimore steuerlos davongetrieben war, mit vielen Toten und Verwundeten an Bord. Commodore Beers Flaggschiff, die Unity, war von Bolithos Seeleuten und Seesoldaten geentert und erobert worden.

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