Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Kinder, die aussehen wie der Geisterbahn entsprungen.»
Das beruhigte mich sehr. Und außerdem ist Aussehen ja auch nicht alles im Leben, und bei längerer und wiederholter Betrachtung der Bilder muss ich sagen, dass mein Sohn ein sehr gewinnendes Lächeln hat.
«Ich kann nicht mal einen Papierflieger bauen,
aber ich kann einen Menschen machen!»
NATALIE PORTMAN
2. März
Schwangerschaftswoche: 31 + 6 Tage, (8. Monat)
Gewicht: Ich dachte nicht, dass ich in meinem Leben jemals so viel wiegen könnte. Ich bin jetzt eine Frau, der man im Bus einen Platz anbietet, der man erschrocken die Tür aufhält und bei der man sich sorgt, dass sie gleich auf dem edlen Teppich niederkommt.
Zustand Schlomo: Für ihn wird es eng. Wenn er sich rekelt und streckt, beult sich mein Bauch nach außen, als geschähe dort drin Unanständiges. Ich habe zwar davon gehört, dass bereits Frauen vor mir schwanger gewesen sein sollen, aber ich kann nicht anders, als all das für einzigartig zu halten. Mir fehlen, das ist selten, die Worte, wenn ich meinem Mann beschreiben soll, wie es ist, wenn im eigenen Bauch jemand anders Schluckauf hat.
Zustand Mutter: Ich schreibe gegen die Zeit! Mein Buch «Endlich!» wächst derzeit nicht proportional zu meinem Bauch. Das Schreiben ist mühsam, wenn man nicht lange sitzen kann, lieber im Internet nach entzückenden Stramplern Ausschau halten oder noch mal eben mein Frauenarzt nach dem Rechten schauen würde.
S eit Tagen liegt neben mir im Bett eine müffelnde Wurst. Und ich muss sagen, ich schlafe nicht besonders erholsam neben etwas, das stinkt. Das war schon immer so, dazu musste ich nicht erst schwanger werden.
«Du brauchst in den letzten Monaten unbedingt ein Stillkissen», hatte Johanna gesagt. Ich vertraue ihr blind, schließlich hat sie zwei schweißtreibende Schwangerschaften und Geburten hinter sich, erzieht zwei Söhne, ohne komplett zu verzweifeln, sagt leider immer, was sie denkt («Hör auf zu jammern, das Schlimmste hast du doch noch vor dir!»), und sie weiß, wie man sich bequem bettet, wenn einem der Bauch langsam den Ausblick auf die untere Körperhälfte versperrt.
Aber dann sagte sie den Satz, den man im Laufe einer Schwangerschaft immer weniger gern zu hören bekommt: «Du kannst meines haben.»
Vererbte Babysachen und weise Ratschläge kann man nie genug bekommen, hatte ich zunächst gedacht. Heute weiß ich: Doch, man kann.
Die Söhne meiner Freundin Marie sind seit geraumer Zeit aus dem Haus. Leider tauchte neulich beim Entrümpeln in ihrem Speicher ein zweiundzwanzig Jahre alter Heizstrahler auf, der laut Marie «noch top in Schuss» sei und hervorragend geeignet, mein zukünftiges Baby beim Wickeln zu wärmen.
Sie war so nett, mir das gefährlich aussehende Gerät persönlich vorbeizubringen, und hatte noch einen Baby-Skianzug von 1983 mit Schlümpfe-Motiven dazugelegt.
Von Annette bekam ich eine nahezu durchgekrabbelte Krabbeldecke, auf der sich so ziemlich alle waschmittelresistenten Flecken dieses Universums versammelt hatten, von Benita die hässlichste Babywippe, die ich jemals gesehen habe, und von Johanna besagtes Stillkissen, das den Geruch eines leicht schimmeligen Dachbodens auf ewig verinnerlicht hatte.
Das Blöde beim Kinderkriegen ist – ähnlich wie beim Autokauf, beim Plätzchenbacken, bei der Krankenversicherung und beim Liebeskummer –, dass es unendlich viele Experten gibt, die einen wohlmeinend mit Ratschlägen versorgen.
Dazu kommen dann noch die gut dreitausend Schwangerenbücher und unzählige Internetforen, in denen seitenlang mit missionarischem Eifer oder gar kaum verhohlener Aggressivität beispielsweise darüber diskutiert wird, ob Neugeborene auf Lammfellen schlafen sollen oder man einen wunden Babypopo dick oder dünn mit Zinksalbe einreiben solle.
Dammmassage, Gebärhocker, Wunschkaiserschnitt, Stammzellen, Erstausstattung, Pucken (Hä? Meinen die «spucken»? Muss ich noch recherchieren), Streptokokken, Sushikonsum, Harndrang, Haare färben: Zu all diesen Themen gibt es mindestens zwei sehr glaubhaft klingende, sich aber komplett widersprechende Meinungen.
Das ist irritierend, wenn man keine eigene Erfahrung hat. Es ist schon schlimm genug, bei technischen Geräten keine Ahnung zu haben – mein iPhone zum Beispiel akzeptiert nach dem letzten Update nur noch Sprachnachrichten willkürlich ausgewählter Menschen, zu denen weder mein Mann noch mein Steuerberater zählen.
Sobald man in Sachen eigenes Baby
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