Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Fortbewegung bis zur Geburt einstellen.
Das hielt er jedoch nicht für angemessen. Ich solle tagsüber Stützstrümpfe tragen. Das mit den Füßen sei einfach Pech, und ich solle hoffen, dass mir dieses Pech erspart bliebe, einstweilen aber besser keine größeren Summen in die Anschaffung von Schuhwerk stecken.
Die Anpassung von Stützstrümpfen hat man sich als eine der Situationen im Leben der Frau vorzustellen, in der sie unter keinen Umständen männliche Zuschauer wünscht.
Ich wurde von der Verkäuferin in einen kleinen Nebenraum mit einer Liege geführt, auf der wir mit vereinten Kräften die knallengen schwarzen Strümpfe einen nach dem anderen über meine Beine zogen.
Wenn man einmal drin ist, ist alles gut. Fühlt sich prima an und macht echt ein schlankes Bein. Nun ja, immer gemessen an den hier vorliegenden besonderen Umständen. «Schlank» wird da zu einem sehr relativen Begriff.
Ich fragte die Strumpf-Fachkraft: «Wie soll ich denn ohne Ihre Hilfe da jemals raus-, geschweige denn wieder reinkommen? Oder sind Sie im Preis inbegriffen?»
Das war sie nicht. Ich könnte aber spezielle Handschuhe dazu erwerben – neongelbe Gummihandschuhe mit griffigen Noppen an den Handflächen –, die mir das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe erheblich erleichtern würden.
Manchmal ist es gut, wenn man nicht allzu genau darüber Bescheid weiß, was auf einen zukommt, wenn der Schwangerschaftstest positiv ausfällt.
«Das kannst du ruhig laut sagen», meinte Johanna eben am Telefon. «Aber wenn du die Kompressionsstrümpfe bereits für einen Angriff auf deine Menschenwürde hältst, dann wart mal ab, bis du zum ersten Mal Milch abpumpst. Ich kann dir sagen, deine Titten sehen dabei aus wie …»
«Verzeih, Johanna, aber ich habe jetzt gleich noch einen Termin», unterbrach ich sie eilig. Und das stimmte sogar. Ich ging zusammen mit meinem Mann zum sagenumwobenen 3-D-Ultraschall!
Der kostet so viel wie ein Vier-Gänge-Menü in einem gehobenen Restaurant, ist aber nicht unbedingt eine vergleichbar lohnenswerte Ausgabe. Man braucht sich das jetzt echt nicht als großartiges Kinoerlebnis wie zum Beispiel «Avatar» vorzustellen.
Mein Sohn zeigte sich während der Aufnahmen derart unkooperativ, als hätte ich bereits Gelegenheit dazu gehabt, ihn schlecht zu erziehen. Entweder verbarg er das Gesicht hinter seinen Fäusten, oder er benutzte die Plazenta als natürlichen Schutzschild.
Der Arzt, eine ausgewiesene 3-D-Fachkraft mit internationalem Ruf, gab sich viel Mühe mit dem störrischen Blag, das muss ich sagen. Der Professor boxte mir munter in den Bauch, bohrte mir den Kopf des Ultraschallgerätes tief zwischen die Rippen und spielte schließlich, ungelogen, ein paar Töne Mundharmonika.
Das wirkte.
Der Junge, offenbar musisch interessiert, spähte um die Ecke des Mutterkuchens, eine Sekunde nur, aber die reichte für einen dreidimensionalen Schnappschuss.
Rückblickend muss man sagen, dass unser Schlomo den richtigen Riecher hatte und offenbar über eine gesunde Selbsteinschätzung verfügte. Denn, das Foto machte es offenkundig, er hatte gute Gründe, sich zu zieren. Offenbar hatte er schlecht geschlafen, vielleicht ist er auch einfach nicht fotogen. Er sah aus wie die sehr alte Heidi Kabel an einem ganz besonders schlechten Tag.
Meine geliebte Tante Hilde meinte immerhin, Teile ihrer Mutter, und nicht die schlechtesten, auf dem Foto wiederzuerkennen, während Mona sich fragte, wieso ein Arzt ein so ekeliges Bild überhaupt herausgeben würde. Damit würde er sowohl der werdenden Mutter als auch ihr, der werdenden Patentante, ja jegliche Vorfreude versauen.
Zugegeben erinnert der Junge sehr an eine übellaunige, weichkochende Kartoffel. Die fliehende Stirn korrespondiert aufs unschönste mit dem fliehenden Kinn, was wiederum die Sattelschlepper-Nase unvorteilhaft hervorhebt.
Aber zum Glück findet man das eigene Kind, wenn man es dann schließlich in echt vor sich hat, angeblich ja immer schön. Diese hormonelle Verblendung scheint mir eine gnaden- und segensreiche Einrichtung der Natur zu sein.
«Alles Quatsch», hat mich dann jedoch Johanna belehrt. «Als ich meinen Ältesten zum ersten Mal leibhaftig sah, wusste ich gleich: Eine Zukunft als Schönheitskönigin ist in diesem Fall ausgeschlossen.»
Mein Gynäkologe, dem ich die Aufnahmen verschämt zeigte, meinte: «Das ist normal. Gute 3-D-Bilder sind extrem selten. Wenn die die Realität abbilden würden, gäbe es nur zerbeulte
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