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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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ordentlich verwirrt ist, kommt garantiert einer daher, der sagt: «Vertrau doch einfach auf deinen Instinkt.»
    Ich habe jetzt beschlossen, in erster Linie meiner Hebamme zu vertrauen. Die sagt: «Frauen, die allzu genau Bescheid wissen, machen es sich nicht unbedingt leichter.»
    Und heute werde ich tatsächlich auch mal auf meinen Instinkt hören, obschon das eigentlich für mich bei einer so existenziellen Angelegenheit nicht in Frage kommt. Aber ich denke, auf dem Dachboden müsste sich noch Platz finden für einen antiken Heizstrahler und ein stinkendes Stillkissen.

3. März
    Mona hat mir gerade eine wütende Mail aus ihrer Heimatstadt Bremen geschickt, wo sie gestern zum zwanzigjährigen Abi-Treffen eingeladen war.
     
    Meine liebste Ildikó!
    Sei bloß froh, dass Du schwanger bist!
    Damit bist Du zumindest bei Deinem nächsten Klassentreffen fein raus, denn es gibt nichts Ärgerlicheres, als alle drei Minuten von Frauen (und nur von Frauen!) gefragt zu werden: „Und, wie viele Kinder hast du?“ Wohlgemerkt, die Frage lautet nicht: „Hast du Kinder?“, sondern gleich: „Wie viele?“ – Damit voraussetzend, dass zu dem Leben einer Frau, die vor zwanzig Jahren Abi gemacht hat, die zahlreiche Vermehrung selbstverständlich dazugehört. Und dann diese langen, betroffenen Gesichter, sobald ich antwortete: „Ich habe keine Kinder.“ Genauso gut hätte ich sagen können: „Ich leide an einer schweren Krankheit und werde den Jahreswechsel nicht mehr erleben.“
    Es war zum Kotzen!
    Ich musste mich sehr beherrschen, um mich nicht zu dümmlichen Rechtfertigungen hinreißen zu lassen wie: „Ich habe keine Kinder, aber einen Doktortitel und ein Jahreseinkommen jenseits der Neidgrenze. Ich habe meine Talente voll entfaltet und meine Entscheidung gegen Kinder nie bereut – schon gar nicht, wenn ich euch flachgeistigen Kühe sehe mit euren bedauernswerten Wunschkindern, die jetzt die volle Breitseite all der Ambitionen abbekommen, die ihr euch verkniffen habt.“ Als müsse ich mich rechtfertigen! Als sei mein Leben gescheitert, bloß weil ich mich beim Klassentreffen im Kreise der Tussen langweile, die sich gegenseitig die Fotos ihrer Kinder zeigen und erzählen, dass der Leander musisch unheimlich begabt sei, während die Manou erstaunliche logische Fähigkeiten vorweise. Ich fühlte mich verurteilt, belächelt, bemitleidet von diesem Club der gebärenden Frauen.
    Warum ist keine friedliche Koexistenz möglich? Mütter, scheint mir, sind unheimlich radikal in ihrer Ablehnung von Frauen, die einen anderen Lebensweg gewählt haben. Warum?
    Weil ich eine Provokation bin? Weil ich sie daran erinnere, wie ihr Leben auch hätte verlaufen können? Weil sie an mir sehen, worauf sie verzichtet haben? Na und? Ich sehe an ihnen doch auch, worauf ich verzichtet habe. Und nach ehrlicher Überprüfung komme ich dann immer wieder zu dem Schluss, dass ich den für mich richtigen Weg gewählt habe.
    Und die bereuen ihre Kinder doch auch nicht. Woher kommt also die Ablehnung?
    Nach einer halben Stunde, in der ich mich zügig betrank, antwortete ich auf die besagte Frage nur noch: „Vier. Aber ich habe sie alle zur Adoption freigegeben.“
    Du weißt, dass es nicht immer einfach ist für mich, kinderlos zu sein. Du kennst meine Anfechtungen, meine Ängste, und du verstehst, warum ich letztlich nicht bereit bin, den hohen Preis zu zahlen, den Mütter zahlen müssen.
    Und ich kenne Dich und bin ganz sicher, dass sich der hohe Preis für Dich lohnen wird. Du wirst eine wunderbare Mutter sein. Du bist viel zu egoistisch, um alle eigenen Bedürfnisse und Ambitionen bereitwillig über Bord zu werfen. Das meine ich als Kompliment und als Ermunterung. Du hast Dein Leben lang dafür gesorgt, dass es Dir gutgeht, und das wirst Du weiter tun. Und wir alle, die Dich kennen und lieben, werden davon profitieren.
    Ich werde nicht mit ansehen müssen, wie sich diese fiesen Verzichts-Falten um Deinen Mund herum bilden und wie Dich Neid und unausgelebte Sehnsüchte missgünstig und kleinlich machen.
    Du wolltest immer so entschieden das Beste vom Leben für Dich, dass das Leben sich nicht getraut hat, sich Dir zu verweigern. So soll es bleiben! Das wünsche ich Dir und mir und meinem kleinen Patensohn Schlominski unter Deinem Herzen.
    Deine Freundin
    Mona

4. März
    Habe gerade versehentlich eine Folge «Traumschiff» geschaut. Bin da irgendwie so reingeraten, weil ich eine kleine Schreibpause brauchte. Auch «Endlich!» neigt sich nun dem Ende

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