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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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zu. Als Hape Kerkeling am Strand von Bahia einer in Gefangenschaft geratenen Wasserschildkröte die Freiheit schenkte, gab es für mich emotional gesehen kein Halten mehr. Bin bloß froh, dass ich allein zu Hause war.
    Die Schwangerschaftshormone machen aus mir eine friedliebende, milde Heulsuse. Ich hoffe, das gibt sich wieder. Ich mag mich noch nicht mal mehr streiten. Das darf wirklich nicht zur Gewohnheit werden.
    Mein Mann ist von der ungewohnten heimischen Harmonie begeistert und hofft, dass ich unser Kind übertrage, nur so ein, zwei Jahre. Und anschließend, das regte er neulich an, könne ich doch sehr schön als Leihmutter arbeiten.

8. März
    Es ist wirklich nicht meine Schuld, dass ich zwei Geburtsvorbereitungskurse buchen musste. Ich bin mir absolut sicher, dass ich dem Kindsvater rechtzeitig den Termin für den Crashkurs am vergangenen Wochenende mitgeteilt hatte.
    Allerdings bin ich mir auch ganz sicher, dass meine Bank letzte Woche mutwillig meinen PIN-Code verändert hat. Ich war jüngst ebenfalls überzeugt, dass mir mein Auto geklaut worden war. Mit Hilfe der eilig herbeigerufenen Polizei konnte aber schnell herausgefunden werden, dass ich bloß ganz woanders geparkt hatte, als ich gedacht hatte.
    «Typische Schwangerschaftsdemenz», lautet Johannas Diagnose. Darauf würde auch hindeuten, dass ich kürzlich versucht habe, mit der Fernbedienung des DVD-Recorders ein Taxi zu rufen, und eine halbe Stunde lang mit der Mülltüte, die ich entsorgen wollte, in der Hand spazieren ging.
    Und gestern Abend habe ich zwei Stunden lang einen Fond eingekocht, den man dann durch ein Sieb passieren und in einem geeigneten Gefäß auffangen sollte. Das Auffangen habe ich vergessen und den edlen Fond durchs Sieb auf Nimmerwiedersehen direkt in den Ausguss geschüttet.
    «Das ist normal», sagt mein Arzt. «Ihr Körper hat jetzt anderes zu tun, als Ihr Gehirn zu versorgen.»
    Und das stimmt ganz eindeutig, denn mein Körper hat sich gerade in den letzten zwei Wochen mal wieder besonders eifrig darauf konzentriert, Nahrungsreserven zu horten, Wasserreservoirs für eine mehrjährige Dürre anzulegen und auch, was den Umfang angeht, noch mal nachzulegen.
    «Na, du hast aber wirklich einen ordentlichen Bauch!», rief selbst meine Hebamme, als sie zur letzten Untersuchung kam. Und das ist ein Satz, den man aus berufenem Munde besonders ungern hört.
    Wie auch immer, den ersten Geburtsvorbereitungskurs besuchte ich also allein. Ich erntete mitleidige Blicke, wurde doch kollektiv vermutet, dass ich an einen altmodischen Rabenvater geraten war, der schon vorgeburtlich seinen Pflichten nicht nachkam und sich bestimmt auch weigern würde, die Nabelschnur zu durchtrennen, die Plazenta bei Vollmond im Garten zu vergraben oder in der Kita das Geländer zu streichen.
    Ich empfand es bereits als Zumutung, dass wir uns alle auf den Boden setzen mussten. Unsereins kommt da ja so ohne weiteres nicht leicht wieder hoch, schon gar nicht als unbegleitete Trächtige.
    Nach einer Vorstellungsrunde gab es erst mal eine Einführung in die weibliche Anatomie und in die Geheimnisse des Beckenbodens, den wir alle gemeinsam erspüren sollten.
    «Zieht eure beiden Sitzbeinhöcker mit den Händen fest unterm Popo nach hinten», sagte die leitende Hebamme – und spätestens da war ich unheimlich froh, dass mein Mann nicht mitgekommen war.
    Was ich in den ersten Stunden auch noch lernte: Das Positive am Schwangersein ist, dass man keine Langeweile mehr hat. Egal, wie lange du auf der Zulassungsstelle sitzt, um deinen schnittigen Zweisitzer ab- und einen behäbigen Fünftürer anzumelden, der aussieht wie eine Aubergine auf Rädern. Egal, wie lange du an der Kasse, auf dem U-Bahnhof oder an der Wursttheke stehst: Für uns werdende Mütter gibt es keine vertane Zeit mehr. Denn, so die Chefin des Geburtsvorbereitungskurses, «einen Beckenboden kann man überall trainieren».
    Nach außen, so versicherte sie, bekäme niemand was davon mit, wenn man den Muskel anspannen und ihn wie einen Aufzug langsam im Körperinneren nach oben und dann Richtung Wirbelsäule ziehen würde.
    Aber das stimmt nicht ganz. Ich habe mich nämlich schon manches Mal gefragt, warum viele Schwangere gerade in Warteschlangen so einen seltsam konzentriert-verkniffenen Gesichtsausdruck machen.
    Und manchmal dünsten die dabei auch noch irgendwas Unappetitliches aus. Das hat aber wiederum nichts mit dem Beckenboden zu tun, das weiß ich heute, sondern mit den Kohlblättern im

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