Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Furzgeräusche fabriziere, irgendwie auf die Dauer nicht bewusstseinserweiternd.
Ein verregneter Nachmittag in alleiniger Gesellschaft eines neun Monate alten Kindes kann sich wirklich verdammt lang hinziehen.
Ich langweile mich mit meinem kindischen Kind.
So, jetzt ist es raus.
Und ich bin mir ganz sicher: Mein Kind langweilt sich auch mit mir.
Ich glaube, mein Junge freut sich insgeheim auf den Tag, an dem er einen Teil des Tages in der Obhut von pädagogisch geschultem Fachpersonal verbringen darf, das ihn artgerecht beschäftigt.
Schlomo und ich, wir haben nämlich sehr unterschiedliche Interessen und Auffassungen darüber, was unter einem kurzweiligen Tag zu verstehen ist.
Will ich mal eben meine Mails abrufen, findet er von meinem Schoß aus garantiert mit schlafwandlerischer Sicherheit die «Alles für immer und unwiederbringlich löschen»-Taste.
Will ich im Fernsehen die Nachrichten schauen, möchte er derweil checken, ob auch auf allen Steckdosen Strom drauf ist.
Und will ich einfach mal zwei Sekunden meine Ruhe haben, möchte er mir seine Schaufel auf die Nase hauen oder einen Finger ins Auge piksen.
Es wird Zeit, dass wir getrennte Wege gehen.
Seltsamerweise plagt mich deswegen nicht mal der Hauch eines schlechten Gewissens. Ehrlich gesagt: Ich hätte das Gefühl, etwas fundamental falsch zu machen, würde ich ein oder zwei weitere Jahre ausschließlich auf Kleinkindniveau verbringen.
Als ich diesen Gedanken neulich in meiner Krabbelgruppe äußerte, brach sofort die Hölle los. Denn es ist ja so: Egal, welchen Lebensentwurf du als Frau für dich wählst, es gibt immer eine, die ihren für besser hält und dir das auch ungefragt mitteilt.
Der Geschlechterkampf findet längst nicht mehr zwischen Männern und Frauen statt. Es sind die Frauen, die wohlhabenderen, die bürgerlichen, die sich bekriegen, die giftig und vehement ihr eigenes Lebensmodell verteidigen. Die einen machen Karriere, die anderen Kinder, und unter denen, die Mutter werden, tobt der Kampf am härtesten. «Mommy wars» heißt das in Amerika.
Denn wenn deine Art, zu leben und zu erziehen, nicht das beste, das alleinseligmachende Konzept ist: Was bedeutet das dann für dein Kind, für dessen Entwicklung? Nichts Gutes.
Wenn es um das Wohl des eigenen Kindes geht, hört der Spaß auf. Da werden in den «besseren Gegenden» die manikürten Krallen ausgefahren. Ich spreche von Sandkastenschlachten zwischen Vollzeitmüttern und berufstätigen Müttern, die sich gegenseitig für das Schlimmste halten, was einem Kind passieren kann.
Ich spreche von neurotischen Glucken, überengagierten Stillkühen, radikalen Rohkostschnipplerinnen und hochnäsigen Rabenmüttern, die sich selbst als ebensolche bezeichnen, weil sie sich überlässig finden.
Und ja, ich spreche von dem bedrohlichen Wettrüsten auf Kindergeburtstagen. Johanna berichtete mir neulich von einer Einladung zu einem fünften Geburtstag, wo die gegnerischen Mütter mit bezahlten Artisten, personalisierten Muffins und einer monatelang geplanten Schnitzeljagd eingeschüchtert werden sollten.
Mütter, so leider auch meine Erfahrung, stellen sich untereinander schmallippig fiese Fragen:
«Ach, du willst tatsächlich nur vier Monate stillen?» Oder auch: «Was, du stillst immer noch?»
«Du fütterst Gläschenkost? Interessant. Mir war es wichtig, dass die Geschmacksknospen meines Kindes in ihrer Entwicklung durch frische Nahrung optimal gefördert werden.»
«Oh, dein Kind soll in eine städtische Kita? Bewundernswert, dass dich die großen Gruppen und der elend hohe Lärmpegel dort nicht stören.»
«Was, dein Kind soll erst in der Schule lesen und schreiben lernen?»
Und wenn gar nichts mehr hilft, greifen die listigen Schlangen-Mütter auf einen Satz zurück, der gerne benutzt wird, wenn man sich beispielsweise entschieden hat, dem Sohn Nasentropfen zu geben, statt ihn weiträumig mit Majoranbutter einzureiben: «Das musst du selber wissen. Ist ja schließlich dein Kind.»
Da kann man schon mal durchdrehen, und der Glaube, man könne Beruf, Nachwuchs, Beziehung, Fettverbrennung, Freundschaften und musikalische Früherziehung unter einen Hut kriegen, löst sich in Luft auf.
Es ist, als wenn du mit einem Topflappen eine vierköpfige Familie zudecken willst: Irgendwas guckt immer raus und kriegt kalte Füße.
Mittlerweile sind in Deutschland zwei Drittel aller Mütter mit minderjährigen Kindern berufstätig. Jede fünfte Frau arbeitet Vollzeit, vierzig Prozent
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