Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
versuchen, eine Mutter zu sein, die nicht so viel darüber nachdenkt, ob sie eine gute oder schlechte Mutter ist, sondern anerkennt, dass sie beides und nichts davon ist. Eine Mutter, die ihr Bestes tut und für die das gut genug ist. Auch wenn sich am Ende herausstellt, dass ihr Bestes einfach nur nicht schlecht ist.»
Und wenn ich jetzt auch noch mal was sagen darf, nach neun Monaten mit einem Kind: Die allerbeste Frühförderung für ein Kind ist seine zufriedene Mutter.
2. Februar
Ich bin nicht zufrieden. Im Gegenteil.
Ich dreh bald durch.
Seit einer Woche herrscht hier Terror pur. Dieser böse Zwerg will auf keinen Fall mehr allein einschlafen. Vorbei die Zeiten, wo wir Schlomo um sieben hinlegten und ihn dann getrost für die nächsten etwa zwölf Stunden vergessen und um Viertel nach acht den «Tatort» sehen konnten.
Jetzt stehe ich oder der Kindsvater – je nachdem wer sich gerade für nervlich belastbarer hält – manchmal zwei Stunden lang an Schlomos Bett, bis er sich endlich gnädig grunzend auf die Seite dreht, sein Schnuffeltuch ergreift und losratzt.
Bis dahin ist er wach. Und wie.
Stellt sich hin. Schmeißt sämtliche Schnuller aus seinem Bett. Freut sich zunächst. Schreit dann erbost los, weil jemand sämtliche Schnuller aus seinem Bett geschmissen hat.
Man reicht ihm zwei Schnuller zurück. Er braucht einen für den Mund und einen in der Hand. Quasi als Kuschel-Schnuller.
Das Kind legt sich hin. Man atmet auf.
Das Kind findet keine bequeme Liegeposition. Es dreht sich maulend durch sein Bett wie ein seniler Dackel in seinem Hundekorb.
Es hält einen Moment inne. Es glotzt starr in die Luft.
Das Elternteil spricht, ganz ratgebergemäß, mit einschläfernder, freundlicher Stimme ein paar beruhigende Worte: «Wenn du jetzt nicht gleich einschläfst, du nervtötende Kröte, beginnt der Krimi ohne mich, und dann bekomme ich richtig schlechte Laune – und das willst du doch nicht, oder?»
Daraufhin streicht man es sanft über den Kopf und verlässt mit gespielter Selbstverständlichkeit und innerer Hochspannung das Zimmer.
Du hast die Hand noch nicht an der Klinke, da wackelt das Bettchen vor wüstem Geschrei.
«Lass dich nicht erpressen», sagst du dir. «Das ist ein Machtkampf. Dieses Kind darf sich nicht daran gewöhnen, nur in Begleitung einzuschlafen.»
Und dann stehst du draußen vor der Tür.
Wie lange hältst du aus? Eine Minute? Drei? Eventuell fünf. Dann nimmt das Schreien eine Verzweiflungsfrequenz an, die für Verwandtschaft ersten Grades nicht erträglich ist.
Und da stehst du also wieder. Und das Kind auch. Puterrot an den Gitterstäben festgekrallt, ruft es so etwas Ähnliches wie «Mama!».
Du nimmst es hoch, obschon doch in jedem Ratgeber steht, dass man genau das nicht tun soll. Der kleine Körper wird von heftigen Nachbeben erschüttert. Das Schluchzen verebbt langsam zu einem schluckaufartigen Seufzen.
Das Kind legt seine triefende Nase an deinen Hals, beruhigt sich, atmet tief. Das ist sehr anrührend. Die ersten paar Male.
Ich habe an der Wand des Kinderzimmers auf meiner Schulterhöhe einen kleinen Spiegel angebracht. In ihm kann ich sehen, ob Schlomos Augen zufallen. Ist das der Fall, warte ich noch zwei, drei Minuten, um ihn dann vorsichtig in Richtung Kinderbett abzusenken.
Er brüllt dann meistens schon los, bevor sein Körper die Matratze überhaupt berührt hat, und ich schnelle beflissen in die Ausgangsposition zurück und tue so, als hätte ich nichts Böses im Sinn gehabt und als handele es sich um ein Missverständnis seinerseits.
Es ist zermürbend.
Meine Nerven liegen blank.
Und ich schäme mich für meine Ungeduld, für meinen harschen Ton und für meine Aggression. Das macht alles nur noch schlimmer, das weiß ich, aber dieser Giftzwerg treibt mich zur Weißglut. Und das ganz ohne arglistige Absicht. Ich darf ihm also nicht mal böse sein.
Bin ich aber.
5. Februar
Aber es kann ja immer auch noch schlimmer werden.
Der Schlom schläft jetzt nicht nur nicht gut ein, sondern wacht dafür neuerdings auch noch sehr früh auf. Und mit früh meine ich früh.
Um fünf Uhr morgens ist das Kind voller Tatendrang. Ganz im Gegensatz zu mir oder zu meinem Mann, der derzeit allerdings drei Tage in der Woche in Berlin arbeitet. Beneidenswert.
Denn diese stockdunklen Stunden allein mit einem wachen, nölenden Kind sind schrecklich. Und wenn endlich der Morgen graut, graut mir vor dem Tag und der nächsten Nacht und der übernächsten und der
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