Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Teilzeit. Das sind Tatsachen. Diskutieren braucht man sie nicht mehr.
Frauen haben Kinder, und Frauen arbeiten. Bald wird es auch bei uns kaum noch Frauen geben, die für viele Jahre komplett aufhören zu arbeiten, wenn die Kinder kommen. Ich kenne keine einzige.
Mütter haben, das ist Emanzipation, ihre Berufstätigkeit hinzugewonnen. Aber sie haben blöderweise an anderer Stelle nichts abgegeben.
Sie planen immer noch wie die Verrückten Kindergeburtstage, rennen nach der Arbeit zum Ballett, zum Fußball, zum Klavierunterricht, besorgen im Laufschritt Kommunionsgeschenke, beantragen Kita-Gutscheine per Blackberry, und wenn die Kinder schlafen, bügeln sie deren Schlafanzüge, zumindest die Mütter, die ganz hart drauf sind.
Perfektion ist eine gefährliche und ermüdende Illusion, es sei denn, man entschärft gerade eine Bombe. Und bei dem Versuch, eine «gute» Mutter zu sein, immer beherrscht, immer pädagogisch wertvoll, immer pünktlich und selbstverständlich selbstlos, kann man nur kläglich scheitern. Jeden Tag aufs Neue. Und das verdirbt früher oder später allen Beteiligten die Laune.
Meine Freundin Katja hat einen vierjährigen Sohn, ist alleinerziehend, arbeitet fünfundzwanzig Stunden die Woche für verdammt wenig Geld, kann sich kein Auto und keinen Babysitter leisten und ist in ihrer Freizeit damit ausgelastet, eine gute Mutter zu sein. Auf die Frage «Wann hattest du deine letzte ruhige Minute?» weiß sie keine Antwort. Sie hat sogar schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie aufs Klo geht. «Kack doch, wenn dein Kind schläft», raunt die innere Übermutter ihr dann zu.
Das schlechte Gewissen und Übermüdung sind ihre treuesten Begleiter. Obwohl sie immer am Rande des Zusammenbruchs lebt, würde sie nie eine Backmischung nehmen. Als ich sie neulich anrief, deutlich nach Mitternacht, war sie gerade dabei, einen Hefeteig anzusetzen.
«Warum tust du das?»
«Ich habe versprochen, etwas fürs Kita-Sommerfest beizusteuern.»
«Aber warum keinen Butterkuchen von Aldi? Glaubst du etwa, die Kinder schmecken den Unterschied?»
«Nein», sagte Katja kleinlaut, «aber die Mütter.» Nach zähen Verhandlungen habe ich sie jetzt dazu überreden können, wenigstens die Frikadellen beim nächsten Kindergeburtstag nicht mehr selbst zu machen. Ein Achtungserfolg.
Jede Mutter möchte – manchmal mit geradezu brutaler Hingabe – dem eigenen Kind nur das Bestmögliche angedeihen lassen. Und jede Mutter, die es anders macht als man selbst, glaubt doch im Grunde, dass du es falsch machst und froh sein kannst, wenn aus deinem Kind kein Kettensägenmörder wird, weil du per Kaiserschnitt entbunden, Gläschenkost gefüttert oder dich nicht rechtzeitig zum PEKiP-Kurs angemeldet hast.
Locker bleiben? Noch so ein Anspruch, den man als moderne Mutter erfüllen muss. Bei dem ganzen Stress soll man auch noch superlässig wirken, regelmäßig Yoga machen und einen Körper haben, dem man nicht ansieht, dass damit mal Kinder geboren wurden. Deshalb fühlen sich viele verunsichert und durch den permanenten Druck überlastet. Sie verdecken, was sie an Ängsten mit sich herumschleppen, und schieben im Beruf «einen Termin» vor, wenn der Kindergarten früher schließt.
In Wahrheit wünschen sie sich vor allem eines: sich vom Ideal der Supermama verabschieden zu können.
Aber warum verdammt fällt dieser Abschied so schwer? Alle modernen Erziehungsberater predigen uns doch immer und immer wieder Gelassenheit und den Abschied vom verheerenden Perfektionismus.
Hier das Ergebnis meiner Recherchen: Die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert sagt: «Eine Mutter muss nicht perfekt sein. Es reicht, wenn sie hinreichend gut ist. Kindererziehung kann nur dann gelingen, wenn Mütter parallel auch ihren nicht mütterlichen Teil entwickeln.»
Der Kinderpsychoanalytiker Donald Winnicott sagt: «Eine Mutter, die sich jenseits der ersten Lebensmonate perfekt an die Bedürfnisse ihres Kindes anpasst, ist keine gute Mutter.»
Der Familientherapeut Jesper Juul sagt: «Kümmere dich um dich selbst, so gut und so oft es geht, denn für Kinder ist es wichtig, dass es ihren Eltern gutgeht. Kinder fordern ständig Aufmerksamkeit – aber sie brauchen sie nicht immer. Erziehung ist viel zu sehr zum Leistungssport geworden. Dabei weiß niemand, wie perfekte Erziehung geht. Die besten Eltern machen zwanzig Fehler pro Tag. Das ist normal.»
Und Ayelet Waldmann, vierfache Mutter, schreibt in ihrem Buch «Böse Mütter»: «Ich möchte
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