Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
danach.
Ich weiß, ich weiß, es ist nur eine Phase. Aber ich fühle mich am Ende meiner Kräfte. Und das Geräusch – es ist eine Kriegserklärung an meinen inneren Frieden! – eines auf dem Boden landenden Schnullers werde ich mein Lebtag nicht mehr vergessen.
«Wenn man zu sehr auf seine Erwartungen
fixiert ist, wird man blind für das Wunder,
das die Kinder bereits sind.»
AYELET WALDMANN
28. Februar
Schlomo ist zehn Monate alt, ich sehe aus wie hundert. Haaransatz, Haut: alles grau in grau.
E ndlich! Er schläft wieder besser! Auch das wird nur eine Phase sein. Aber sie kommt gerade rechtzeitig. Das war knapp. Noch mehr Schlafentzug hätten meine strapazierten Nerven und meine strapazierte Ehe wohl kaum ausgehalten.
Ich bin bloß froh, dass dieses Johanniskraut zu wirken scheint. Zumindest die übergroßen Ängste und Stimmungsschwankungen, die erdrückende Düsternis sind verschwunden.
Was bleibt, ist ganz normale Überlastung, Übermüdung und schlechte Laune.
Es wundert mich gar nicht mehr, dass so viele Beziehungen in den ersten zwei Jahren nach der Geburt eines Kindes scheitern.
Mir scheint, dass besonders die Paare gefährdet sind, die entweder noch nicht lange zusammen sind, wenn das erste Kind kommt, oder die Paare, bei denen der männliche Part eitel und dumm ist, was ja leider gar nicht so selten vorkommt.
Das ist natürlich generell nie schön, aber solange noch kein Kind da ist, das dem selbstverliebten Gecken die Schau und den Applaus der Partnerin stiehlt, fällt es einfach nicht so auf.
Ein Mann, der sich nicht zurücknehmen kann, der es persönlich nimmt, wenn seine Alte keine Lust mehr auf Sex hat oder darauf, ihrem Mann tagtäglich seine eigene Großartigkeit zu bestätigen, ist als Vater nahezu untauglich.
Zwei meiner Freundinnen haben sich von ihren Männern getrennt, weil sie das Gefühl hatten, sich auf einmal um zwei Babys kümmern zu müssen.
«Er empfindet das Kind als Konkurrenz», sagte Gina, nachdem sie Hans, den Vater ihrer sieben Monate alten Tochter, zum Teufel geschickt hatte. «Er ist beleidigt, weil er nicht mehr im Mittelpunkt steht, und ich würde mich nicht wundern, wenn er anfinge, wieder in die Hosen zu pinkeln, bloß um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.»
Gina und Hans waren noch keine drei Jahre zusammen gewesen, als Gina schwanger wurde. Ein absolutes Wunschkind, während der Schwangerschaft waren beide selig, und Hans nahm vor lauter Glück und Stolz und Solidarität mit seiner angebeteten Frau zwölf Kilo zu.
Aber das echte Kind störte das junge Glück.
Manchmal bin ich froh, dass sich unser Schlomo so viel Zeit gelassen hat auf seinem Weg zu uns, auch wenn ich die Jahre des vergeblichen Hoffens und Wartens nicht noch einmal erleben möchte. Aber als wir begannen, zu dritt zu sein, waren wir vorher lange genug zu zweit gewesen.
Das Kind war nicht unsere erste Krise. Wir hatten schon aus anderen Gründen Nächte durchwacht, Stimmungstiefs durchschritten und Trennungen nur haarscharf umschifft.
Und ich habe das Glück, einen Mann ergattert zu haben, der denken kann und der, das ist noch wichtiger, seine Gefühle durch seine Klugheit beeinflussen und lenken kann.
Das ist zum Beispiel bei mir nicht der Fall. Ich kann zwar auch denken, aber das führt nicht sehr oft zu handfesten Veränderungen meines Verhaltens. Ich tue relativ oft Dinge, von denen ich relativ genau weiß, dass ich sie nicht tun sollte.
Und auch auf emotionaler Ebene ist mir das Gefühl näher als der Verstand. Selbst wenn ich sehr genau weiß, dass ich nicht sauer, beleidigt oder bekümmert sein sollte – bin ich es meist trotzdem.
Das ist außerordentlich bedauerlich.
Noch aber nehme ich grundsätzlich alles persönlich, und ich wäre ein sehr, sehr schlechter Ehemann und Vater geworden, von dem sich die Frau garantiert noch während der Eröffnungswehen getrennt hätte.
Ich hoffe jeden Tag, dass unsere Ehe hält und sich mein Mann nicht von mir, meinen Stimmungs- und Gewichtsschwankungen, meinen unförmigen Schlafanzügen und meiner Egozentrik in die Flucht schlagen oder sich abwerben lässt. Ich hoffe, dass er mich tapfer weiterliebt, mein Fels in der Brandung bleibt. Dass er die Nerven bewahrt, wenn ich durchdrehe, und eisenhart auch bei Schneeregen gegen meinen Willen mit unserem Kleinen spazieren geht, damit der keine verweichlichte Superlusche wird.
Ich wollte meinen Mann immer schon gern behalten. Aber jetzt ist er nicht nur mein Mann, sondern auch der Vater
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