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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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abgekommen. Was ist nun mit dem dritten Ulqar?«
    »Der dritte …« Das massige Gesicht des ehrwürdigen Ar-Maura zuckte und erstarrte in einer betrübten Grimasse. »Also der dritte ist ein Wahnsinniger, dem die Macht zu Kopf gestiegen ist. Weißt du, als er den Tempel der Vier Kamele zerstört und sich zum Gott erklärt hat, habe ich Angst bekommen … Die Götter verzeihen denen nicht, die sie aus der Zeit kennen, als sie noch Menschen waren … Dann dieses Edikt über seine Unsterblichkeit … Und als er erst Naturgesetze zu erlassen begann …«
    »Nein, wieso denn«, wandte Ar-Scharlachi sacht ein, aber in seinen Augen tanzten kleine Springmäuse. »Das mit den Naturgesetzen war klug. Das Wasser hat von oben nach unten zu fließen. Das heißt, lerne vom Wasser, wie die Gesetze befolgt werden müssen …«
    Der Richter hörte nicht zu. Seine Miene war immer noch finster.
    »Ich verstehe schon lange nicht mehr, was vor sich geht«, fuhr er müde fort. »Du rollst das Pergament mit einem neuen Edikt auf – und erwartest schon vorher einen Aufstand. Aber der Aufstand kommt und kommt nicht …«
    Ar-Scharlachi betrachtete den Richter neugierig. »Wozu denn Aufstand?«, sagte er. »Man befolgt es einfach nicht. Oder man befolgt es, aber nur halb … Wie es ja eigentlich auch gemacht wird.«
    »Ja? Meinst du? Dann stell dir vor: Morgen kommt ein Edikt, dass alle Untertanen mit unverhüllten Gesichtern gehen sollen … Was dann?«
    »Hm-ja … Dann gibt es natürlich einen Aufstand«, gab Ar-Scharlachi zu. »Übrigens, bist du denn schlechter als Ulqar? Stell dich an die Spitze. Er hat Harwa von Kimir abgespalten, und du spaltest den Palmenweg von Harwa ab.«
    Der ehrwürdige Ar-Maura betrachtete den Witzbold mit bedauerndem Lächeln.
    »Aussichtslos«, sagte er schließlich und leerte auf einen Zug die Schale. »Weder du noch ich sind dazu imstande. Ich bin zu alt, und du …« Hier hob der Richter den Blick und schaute sein Gegenüber direkt an. »Du weißt gar nicht, wie sehr du mich enttäuscht hast. Als in der Wüste Scharlach auftauchte, dachte ich anfangs – ob du das nicht vielleicht bist? Zumal es eine Denunziation diesbezüglich gab. Es ist natürlich lächerlich, davon zu reden, aber ich war froh … Froh, dass wenigstens einer von uns, den früheren Gebietern, diesen Nacktfressen zeigt, wo es zu Fuß zum Meer geht … Schade, dass du es nicht warst.«
    »Vielleicht doch?«, entgegnete der schon leicht angetrun kene Ar-Scharlachi. »Ein Räuber, weißt du, ist ja nur bei Mond schein ein Räuber. Und tagsüber kann er auf dem Basar Datteln verkaufen …«
    Der ehrwürdige Ar-Maura hörte sich das alles ohne die Spur eines Lächelns an, mit überaus betrübter Miene. »Nicht doch«, antwortete er und seufzte. »Da kann es kein ›Vielleicht‹ geben. Gestern Nacht ist Scharlachs Bande vernichtet und er selbst ergriffen worden. Seltsam … Der Herrscher hat dafür eine ganze Karawane abkommandiert, und er hat verlangt, dass der Anführer lebendig gefangen wird. Kann sein, gegen Abend bringen sie ihn hierher …«

3
    Mond und Grube
    A r-Scharlachi lag auf dem Rücken und schaute auf den von Steinen umringten Kreis des Nachthimmels, in dem ein Hauch von silbrigem Staub hing. Irgendwo ganz nahe, aber hinter der Kante schien der böse Räubermond oder, wie man in Harwa sagte, der Vollmond. Im Mondlicht zerfließend schimmerte der diamantene Huf des langbeinigen Sternbilds Ganeb. Das Kamel, auf dem Ar-Scharlachis Vorfahren in diese Welt gekommen waren, schritt jetzt am Nachthimmel über dem Palmenweg entlang.
    Eine große Ehre – den Nachkommen eines Gebieters hatte man in eine der Hauptgruben gesteckt, einen steinernen Brunnenschacht, den die räuberischen Ahnen für besonders hochgeborene Gefangene angelegt hatten. Nach oben hin verengte sich der Schacht leicht, sodass es unmöglich war, ohne fremde Hilfe hinauszuklettern. Der böse Mond hob das breite Grinsen des alten Mauerwerks aus der Dunkelheit hervor, und je höher das Gestirn stieg, umso mehr Zähne schien dieses Grinsen zu zeigen.
    Ein Schakal bist du, ehrwürdiger Ar-Maura! Obwohl … Man kann dich ja verstehen. Wenn du Ar-Scharlachi ohne Strafe laufen ließest, würden Gerüchte aufkommen, der Richter decke die ehemaligen Gebieter des Palmenweges, und dann würde der junge nacktfressige Sekretär womöglich seinen bangen Respekt vor dem Ehrwürdigen überwinden und auf den Gedanken kommen, eine Denunziation ins Vorgebirge zu schicken …
    Ar-Maura

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