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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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wartete, dass die stumpfe, schwermütige Verzweiflung echter Wut wich. Schließlich nahm er mit einem schiefen Grinsen das Gerät, verschob daran einen beweglichen Grat, dann zog er am Endknopf die hohle Metallrute heraus. In der Schildkröte piepste etwas, und wenig später sagte eine leise, klirrende Stimme, die nur entfernt der Tiangis ähnelte: »Ich sehe, du hast es nicht allzu eilig … Beachte, dass sich dir von Norden her noch eine Karawane nähert.«
    »Ihr habt meinen Freund verbrannt!«, sagte Ar-Scharlachi schwer atmend.
    Ein paar Sekunden lang schwieg das Gerät und knisterte kaum hörbar.
    »Ich habe nicht verstanden«, klirrte schließlich. »Erkläre. Worum geht es?«
    »Ihr habt mein zweites Schiff verbrannt!«, brüllte Ar-Scharlachi los und fühlte, wie sich ihm ein Schleier vor die Augen legte. Die Wut hatte sich endlich eingestellt, und er brauchte die Worte nicht zu wählen. »Und das hat mein Freund geführt! Was macht ihr denn, ihr Warane …? Ihr hättet lieber mich verbrennen sollen!«
    Er fluchte drauflos, bis ihn die Kräfte verließen. Das Ding, das er an den Mund hielt, knisterte ziemlich lange, und als Ar-Scharlachi fertig war, dachte er erschrocken und frohlockend, Tiangi habe es vor Zorn die Sprache verschlagen. Weit gefehlt: Tiangi überdachte einfach, was er gehört hatte.
    »Ja … unangenehm …«, sagte er langsam. »Aber höre … Du hast dich doch selbst beschwert, dass man dir den Weg versperrte. Wir haben doch hauptsächlich deinetwegen geschossen … um dir zu helfen … Stimmt das denn nicht?«
    »Ich habe euch nicht gebeten …«, brachte Ar-Scharlachi kraftlos hervor.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Tiangi nach kurzem Zögern. »Aber im Krieg, weißt du, passiert so was alle naselang. Du schlägst den Feind und erwischst die eigenen Leute gleich mit … Wenn es kein Geheimnis ist, wo willst du jetzt hin?«
    »Irgendwohin …«
    Ar-Scharlachi schien es, als lächle Tiangi.
    »Na schön. Viel Erfolg … irgendwo. Obwohl das jetzt unwesentlich ist. Wohin du auch fährst, die Ereignisse werden überall die gleichen sein … Und jetzt stell dieses Ding in den Ausgangszustand zurück. Wie verabredet.«
    Ar-Scharlachi verschob gehorsam den Grat, und die Schildkröte verstummte. Er versenkte die Metallrute und wollte das Gerät schon wieder unter einem Kissen verstecken, als er plötzlich bemerkte, dass Aliyat in der Tür stand, bleich, und ihn mit großen Augen anstarrte.
    »Du hast … mit denen gesprochen?«
    Er machte eine saure Miene und steckte das Ding weg, ohne zu antworten.
    »Du bist wahnsinnig!«, sagte Aliyat heiser. »Du hast so geschrien, dass es auf Deck zu hören war … Hast du die angeschrien?«
    »Hab ich«, sagte er dumpf und goss Wein ein. Aliyat kam endlich auf den Gedanken, die Tür zu schließen, und setzte sich langsam auf den Teppich, noch immer ohne den Blick von Ar-Scharlachi zu wenden.
    »Sind das Zauberer?«, fragte sie unverblümt.
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Wohl kaum. Und dann – ich habe dir vermutlich schon gesagt, dass ich nicht an Zauberei glaube …«
    »Und das?« Sie machte eine Kopfbewegung zu dem Kissen hin, unter das er das Geschenk gesteckt hatte. »Und die Blitze …?«
    »Das waren keine Blitze«, warf er hin. »Tiangi hat gesagt, es sind Raketen.«
    »Was?!«
    »Nun … wie soll ich’s dir erklären? Du warst ja nie an einem Feiertag in Harwa …«
    »Ich habe Raketen bei Feiern in Sibra gesehen.«
    »Ah! Also … Bei uns ist das Spielzeug, bei denen aber eine Waffe … Hast du jetzt verstanden?«
    »Ich habe verstanden …«, antwortete Aliyat leise.
    »Was hast du verstanden?«
    Aliyat schüttelte den gesenkten Kopf, sei es, um zu sich zu kommen, sei es, um einfach den Schleier abzuwerfen. Ohne Umstände nahm sie ihm die Schale weg und trank den Rest des Weins in einem Zug. Sie wog das Gefäß in der Hand, als überlege sie, wohin sie es werfen sollte.
    »Ich habe verstanden, dass man sich mit denen nicht anlegen darf«, sagte sie mit spröder Stimme. »Zauberer oder nicht … Reize sie nicht, hörst du? Sei einverstanden!«
    »Womit? Mit einem Aufstand? Mit neuen Unruhen?«
    Aliyat stellte die Schale auf den Teppich, machte den Rücken krumm, bewegte wie fröstelnd die Schultern. »Ich kann dich eben doch nicht verstehen«, gab sie zu und schielte nach der besudelten Skulptur des Herrschers. »Du hasst Ulqar. Du hast letztes Mal Geschirr nach ihm geworfen, hast gedroht, ihn zu zerschlagen … Und genau das schlagen sie

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