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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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einen Schluck Wein. »Angefangen bei mir selbst …«
    Ein paar Sekunden lang schaute ihn Aliyat an, machte den Mund auf und zu, außerstande, ein Wort hervorzubringen.
    »Du …«, brachte sie nur heraus. »Ich weiß nicht, du … Du bist vielleicht auch kein Mensch, so wie die …?«
    »Eins von beidem«, warf er hin. »Entweder ich bin kein Mensch, oder alle anderen sind keine Menschen …«
    An die Tür wurde geklopft. Beide zogen sich eilends den Schleier übers Gesicht.
    »Herein …«, sagte Aliyat ärgerlich.
    In die Kajüte schaute der erschrockene Ard-Gew. »Da kommt jemand«, teilte er mit belegter Stimme mit und zog kläglich die dichten, zusammengewachsenen Brauen hoch. »Von den Hämmern her … anscheinend derselbe …«
    Ar-Scharlachi stand auf und wandte sich mit spöttischem Lächeln an Aliyat. »Also«, sagte er leise. »Du kannst mitkommen und sagen, dass du mit ihrem Vorschlag einverstanden bist … Kommst du?«
    Aliyat wurde blass, wich zurück und schüttelte den Kopf. Ar-Scharlachi lächelte nochmals und ging hinaus.
    Als er, da er diesmal nicht die Strickleiter benutzen wollte, aus der Seitenluke auf den heißen Sand sprang, war Tiangi schon in der Nähe. Die Kette von Trittspuren tauchte hinter der nächsten Düne ab und verschwand dort. Der neue Bekannte war wohl kaum von den Hämmern her zu Fuß zum Samum gekommen, doch womit er gekommen war, ließ sich schwer sagen.
    »Die Wüste ist klein«, begrüßte ihn Ar-Scharlachi.
    »Klein ist sie …«, erwiderte Tiangi und betrachtete besorgt blinzelnd die Staubwolken, die am sich im Glast wellenden Horizont entlangzogen. Es waren drei. »Warum hast du angehalten?«, fragte er, wieder an Ar-Scharlachi gewandt. »Hast du es dir anders überlegt? Oder schwankst du noch?«
    Ar-Scharlachi verzog unfroh den Mund unter dem Schleier.
    »Du siehst doch, was dort los ist«, sagte er und spähte ebenfalls mit zusammengekniffenen Augen zu dem unsteten Horizont. »Da hält man halt an … Ich habe beschlossen, auf die Nacht zu warten …«
    Eine Zeit lang schauten beide in dieselbe Richtung.
    »Sind mutiger geworden«, sagte Tiangi gleichgültig, doch bei diesen träge hingeworfenen Worten lief es Ar-Scharlachi aus irgendeinem Grund kalt über den Rücken. In der mörderischen Gluthitze des Mittags.
    »Ja, das sind sie«, wiederholte Tiangi nachdenklich. »Womöglich kommen sie gleich über den Horizont gekrochen … Höchste Zeit, ihnen einen Schreck einzujagen.«
    Er nahm aus den Falten seines Kittels ein sonderbares Ding, das einer flachen kleinen Schildkröte aus Metall ähnelte, und bewegte etwas daran, worauf die Schildkröte dünn piepste. Dann zog Tiangi mit einer einzigen Bewegung eine biegsame, glänzende Rute aus dem Ding und hielt es an den Mund. Wieder erklang die melodiöse Sprache, die reich an Hauchlauten war und in der die Konsonanten zu zerfließen schienen.
    Am ehesten ähnelte es einem Gebet. Der metallische Gegenstand konnte durchaus ein Amulett oder die Abbildung irgendeines Gottes sein … Doch Ar-Scharlachi konnte diesen Gedanken nicht weiterverfolgen, denn plötzlich antwortete das Amulett, begann zu murmeln, und zwar in derselben Sprache, in der Tiangi zu ihm gesprochen hatte. Ar-Scharlachi schreckte zurück, stolperte, wirbelte Sand auf, fuchtelte mit den Armen und hielt sich gerade noch auf den Beinen.
    Tiangi schob die Metallrute in das Gerät, klickte mit irgend etwas und betrachtete belustigt sein sprachloses Gegenüber.
    »Na, wenigstens vor etwas bist du erschrocken«, bemerkte er spöttisch. »Und ich dachte schon, der Umgang mit dem weisen Gojen hat dich ganz und gar furchtlos gemacht … Soweit ich mich erinnere, hat Gojen sogar die Vorzeichen geleugnet?«
    »Nicht alle …«, sagte Ar-Scharlachi heiser, ohne den Blick von dem verstummten Ding zu wenden.
    Tiangi lachte auf. »Ich habe mit unserem Stützpunkt im Süden gesprochen«, erklärte er. »Übrigens, heute Morgen hat sich Ulqar lebhaft für dich interessiert.«
    »Der Herrscher?«, fragte Ar-Scharlachi verwirrt. »Ist er hier?«
    »Natürlich nicht. Er ist in Harwa.« Tiangi musterte den Gesprächspartner forschend, als erwarte er etwas von ihm.
    »Mithilfe von …« – Ar-Scharlachi zeigte auf die Metallschildkröte, bereit, den Finger sofort zurückzuziehen – »… dem hier?«
    »Ganz richtig.« Tiangi nickte und schaute ihn respektvoll an. »Ich sehe, mit dir wird es ein angenehmes Arbeiten sein … Also, Ulqar hat geradezu verlangt, dass wir dich zu ihm

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