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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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dir doch vor: einen Aufstand gegen ihn anzuzetteln! Was willst du denn noch?«
    Ein langsames, krampfhaftes Lächeln verzog Ar-Scharlachis braun gebranntes, längliches Gesicht. »Wenn ich aus Hass auf Ulqar«, sprach er und wählte sorgfältig jedes Wort, »mich so wie Ulqar verhalte, wieso bin ich dann besser als er?«
    Aliyat nahm mit gespannter Aufmerksamkeit diese tiefe Weisheit auf, konnte sie aber, nach ihrem verblüfften Gesichtsausdruck zu urteilen, dann doch nicht erfassen.
    »Ja, was hast du denn nun gesagt?«, explodierte sie. »Du verstehst doch selber nicht, was du jetzt gesagt hast …! Und hör auf zu trinken!«
    Mit folgsamer und enttäuschter Miene ließ sich Ar-Scharlachi entwaffnen. Aliyat war außer sich.
    »Du willst einfach fein sauber sein!«, übersetzte sie böse Ar-Scharlachis komplizierte logische Konstruktionen in allgemeinmenschliche Sprache. »Bis zum Hals im Blut, bis zum Hals in der Scheiße, und bildest dir immer noch sonst was ein …! Der Palmenweg wartet nur auf ein Zeichen! Sie hassen die Nacktfressen! Das kannst du mir glauben, ich weiß das …«
    »Als ob ich es nicht wüsste …«, sagte er.
    »Und vor allem – du sagst es ja selber: Sie verlangen nichts von dir für die Hilfe!«
    »Wieso verlangen sie nichts? Zum Meer zu fahren haben sie verboten.«
    »Brauchst du es denn?«
    »Nein. Ich mag es einfach nicht leiden, wenn man mir irgendetwas verbietet.«
    »Du bringst mich noch um den Verstand!«
    »Klar doch. Wer denn sonst?« Ar-Scharlachi stand auf und ging zur Tür.
    »Wo willst du hin?«
    »Irgendwohin … Den Wein hast du mir ja weggenommen! Gehe ich also wenigstens ein bisschen an Deck spazieren …«
    »Pass auf, dass du nicht über Bord fällst!«
    Ohne auf diesen letzten Ausfall zu antworten, trat Ar-Scharlachi in den wankenden Korridor und stieg auf der unter den Füßen bebenden Treppe an Deck. Grimmig betrachtete er die schwankenden Segel, die Masten. Ringsum sinnvolles Treiben, jeder ist an seiner Arbeit. Der unermüdlichen Aliyat war es immerhin gelungen, die Meuterer und Schiffsläufer zur Ordnung anzuhalten. Insgeheim hassten sie sie für ihre Aufdringlichkeit und hätten sie, wäre Scharlach nicht gewesen, sicherlich bei der erstbesten Gelegenheit in Stücke gerissen.
    Sich an der Takelage festhaltend, trottete Ar-Scharlachi übers Deck, hörte mit halbem Ohr Fetzen von gedämpften, bei seiner Annäherung eilends unterbrochenen Gesprächen.
    »… wenn er damals nicht abgedreht hätte, würde er jetzt zusammen mit uns fahren …«
    »… und diese Trottel – hielten sich auch für schlau, sind über Bord gesprungen … Und wo sind sie jetzt?«
    »… sag ich dir! Die führen ihn direkt zu dem Hammer, sagen: ›Siehst du? Genau so wird es Ulqar ergehen …‹«
    »Und?«
    »Und! ›Führe‹, sagen sie, ›den Palmenweg zum Aufstand, da gibt’s nichts zu zweifeln!‹«
    »Psst! Schleier dicht!«
    Ar-Scharlachi ging dicht an das Katapult heran. Beide Räuber blickten beiseite, eifrig damit beschäftigt, die Maschine zu putzen und zu schmieren, die noch gestern so bedrohlich gewirkt hatte.
    »Gorcha!«, rief Ar-Scharlachi leise, und der groß gewachsene Räuber richtete die unschuldigen Augen mit den entzündeten, umgestülpten Lidern auf ihn. »Woher weißt du das vom Palmenweg?«
    Gorcha richtete sich auf, knüllte in den knorrigen Händen verlegen einen Putzlappen. »Die Leute sagen es …«, antwortete er ausweichend.
    »Und was denkst du selber darüber?«
    »Na ja …« Der Räuber zuckte unbehaglich mit den Schultern, runzelte die Stirn. »Da kann er in seinem Harwa toben, wie er will, aber gegen die nickenden Hämmer kommt er nicht an! Wie die Lako verbrannt haben … Unheimlich!«
    »Nein, das meine ich nicht. Das ist klar: Halte dich an den Stärkeren. Aber mit der Gerechtigkeit – wie ist es damit?«
    »Mit der Gerechtigkeit?« Gorcha zögerte, wendete offensichtlich seine knorrigen, einfachen Gedanken hin und her. »Wir hätten uns längst von diesem Harwa trennen sollen. Ich bin ja nicht wegen der Räuberei zu dir gekommen. So gibt es weniger Nacktfressen, hab ich gedacht … Und sonst – wie geht denn das? Hat sich zum Gott erklärt, die Tempel niedergerissen … Und dass alle geschwiegen haben … Haben vorläufig geschwiegen … gewartet, bis sich so einer wie du findet.«

26
    Der Krieg ist erklärt
    I rwa hatte wie immer recht gehabt. Das Einzige, was man dem weitblickenden Sekretär vorwerfen konnte, war die erstaunliche Zurückhaltung

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