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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Schiffshülle, die Zwischenwände – alles war eingestürzt, zu einem rauchenden Haufen zusammengesackt. Es war wohl ein direkter Treffer gewesen. Der Sand im Umkreis von etlichen Dutzend Schritten war schwarz, mit einer dicken Rußschicht bedeckt. Dunkle Fetzen waren so weit über die Dünen verstreut, dass Ar-Scharlachi, nachdem er von Bord des Samum gegangen war, fast sofort begann, einen Bogen um sie zu machen. Die erschrocken schweigende Aliyat folgte ihm.
    Sie blieben dort stehen, wo der Ruß einen geschlossenen Fleck bildete, und schauten lange erzitternd auf die durch die Asche wandernden Flämmchen, auf die sich regenden schwarzen Klumpen. Manchmal sah es aus, als ob noch jemand von der Mannschaft am Leben sei und versuche, sich unter den verbrannten Trümmern hervorzuarbeiten.
    »Nun, schau dir das an …«, sagte schließlich Ar-Scharlachi bedrückt. »So sieht es aus, wenn sie uns nicht anrühren.«
    »Wir hätten nicht anhalten sollen.« Aliyat schaute unruhig zurück auf die blendend weißen Sande, hinter denen die nickenden Hämmer und die riesigen funkelnden Kugeln aus Metall verborgen waren. »Was machst du?!«
    Ar-Scharlachi zuckte zusammen und ging direkt über den Ruß dorthin, wo sich, von der Explosion fortgeschleudert, schwarz die kupferbeschlagene Spitze des Rammsporns abzeichnete. Hitze schlug ihm ins Gesicht, und ohne die letzten Schritte getan zu haben, wich Ar-Scharlachi zurück, wobei er offensichtlich versuchte, die Schrift auf dem rußbedeckten Kupfer zu lesen. Aliyat, die ihm nicht zu folgen wagte, sah, wie er leicht zurückschreckte und mit hängenden Schultern zurücktrottete.
    »Was ist?«, fragte sie bang.
    Ein paar Sekunden lang blickte er Aliyat verständnislos an. Die Brauen waren schmerzlich zusammengezogen, auf dem schneeweißen Schleier lagen Rußspuren.
    »Das ist der Weiße Skorpion «, teilte er mit bebender Stimme mit. »Lako …«
    Aliyat wandte erschrocken den Kopf und betrachtete entsetzt die glimmenden Trümmer des niederbrennenden Scheiterhaufens, die noch am Morgen ein schneeweißes, kupferglänzendes Schiff gewesen waren. Unmöglich! Lako … Der lärmende Wagehals Lako … Du warst also doch geflohen, warst durchgebrochen, auf wunderbare Weise am nördlichen Rand der verbotenen Sande durchgeschlüpft und hattest einen Teil der Karawane nach dir gezogen … Noch ein kleines Stück – und du wärst vollends in Sicherheit gewesen. Ein winziges bisschen Glück hatte gefehlt … Wie hattest du damals gesagt? »Ich schließe mich lieber dir an, als bei ihm zu bleiben.« Du hast immer an das Glück geglaubt. Und zu Scharlach bist du nur gekommen, weil Scharlach ein Glückspilz ist. Diesmal aber hast du gezweifelt … Und jetzt liegst du als Stück verbranntes Fleisch unter den heißen, rauchenden Trümmern der Balken …
    »Er war also auf der Flucht vor den Truppen«, murmelte Ar-Scharlachi betrübt, »und die haben alle zusammen erledigt …«
    Aliyats dunkle Augen blickten verbissen. »Schade …«, brachte sie hervor. »Er war ein guter Räuber.« Sie seufzte und wandte sich Ar-Scharlachi zu. »Dort muss sein Anteil an der Beute aus Sibra liegen«, sagte sie finster. »Vielleicht warten wir, bis die Hitze nachlässt?«
    Ar-Scharlachi schaute erstaunt und verärgert drein. Ja, wirklich, irgendwo inmitten der Asche und verkohlten Balken lag ein heißer Goldklumpen verborgen – alles, was von dem Ledersack voller Goldmünzen mit dem Profil Ulqars übrig war –, aber … Man musste Aliyat sein, um in solch einem Augenblick daran zu denken.
    »Die Zeit ist knapp«, knurrte er. »Gehen wir zurück …«
    Sie gingen, beschmutzten den Sand mit dem an den Sohlen klebenden Ruß. Freilich wurden die Spuren, die sie hinterließen, immer heller, je mehr sie sich dem Samum näherten. Als er die Kajüte des Karawanenführers erreicht hatte, langte Ar-Scharlachi als Erstes zu dem Schränkchen mit dem Wein. Immerhin war Lako ein Freund gewesen …
    »Wohin fahren wir?«, fragte Aliyat.
    »Wohin du willst.«
    Sie stand da, unzufrieden die Brauen zusammengezogen, dann machte sie kehrt und ging hinaus. Als das Schiff zu schwanken begann und langsam weiterfuhr, in die Wüste, holte Ar-Scharlachi die flache Metallschildkröte unter den Kissen hervor und legte sie auf den Teppich. Tiangi hatte sie ihm beim Abschied geradezu aufgedrängt. Das matt glänzende Geschenk feindselig betrachtend, legte Ar-Scharlachi den rußbefleckten Schleier ab, trank die Schale bis zur Neige aus und

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