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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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sich zog … Oder nehmen wir mich: Ich habe in letzter Zeit ebenfalls wegen meines ehemaligen Freundes Nachteile gehabt. Freilich, kurz vor allen diesen Ereignissen war es zwischen uns zu einer … Verstimmung gekommen … Ja, einer Verstimmung, bei der ich, fürchte ich, im Unrecht war … Aber du – was hat er denn dir getan? Soviel ich weiß, hat Ar-Scharlachi weitaus mehr Anlass, dir böse zu sein.«
    Der Karawanenführer starrte den ehrwürdigen Ar-Maura verständnislos an. Ihm kam es seltsam vor, wie gut der Richter informiert war. Sich in den Beziehungen zwischen zwei Räubern auszukennen hielt Chaïlsa einfach für unter seiner Würde. Was Scharlach betrifft, so trafen ihn die Worte des Richters recht empfindlich: Er machte eine verbissene Miene und schwieg recht lange, wobei er die schwieligen, behaarten Fäuste immer wieder ballte und öffnete.
    »Nna …« Er räusperte sich, goss sich Wein ein, spülte die Gurgel durch. »Ich weiß nicht … ob er mir böse ist oder nicht … Ein Schakal ist er! Wieso treibt er Schindluder mit meinem Namen?!«
    »Erstens ist es ein Spitzname«, präzisierte Ar-Maura, wobei er nach alter Gewohnheit als Richter ein Auge zusammenkniff, als ob er ziele. »Zweitens, was heißt ›Schindluder treiben‹? Er mehrt eher den Ruhm des Namens. Er hat eine Meuterei angezettelt, Sibra ausgeraubt, ist ein paarmal auf glänzende Weise den Verfolgern entkommen …«
    »Das ist ja eben so kränkend!«, brauste Scharlach auf. »Immerzu heißt es nur: ›Sibra, Sibra!‹ Lako hat er mir abspenstig gemacht!«
    »Wer ist denn das nun wieder?«
    »Auch einer von unseren Leuten …«, erklärte Scharlach widerwillig. »Ich habe ihm angeboten, gemeinsame Sache zu machen, dem Lako … Er war so gut wie einverstanden, aber er ist nicht zu mir gekommen, sondern zu ihm. Sibra haben sie, heißt es, zusammen angezündet …«
    Der Karawanenführer hörte zu und blähte zornig die Nüstern. Wie gern er wohl den Gesprächspartner an einer Rah aufgeknüpft hätte, wenn ihn die Umstände nicht so in die Enge getrieben hätten!
    »Und dann noch das mit der Galeere …«, fügte der Räuber finster hinzu. »Eine Galeere hat er mir verkauft … Ich wusste doch nicht, von wem ich sie kaufe! Hat mir also angehängt, was er selber nicht gebrauchen konnte …«
    »Du verheimlichst etwas, Ehrenwertester«, sagte der Richter. »Das sind doch im Grunde alles Kleinigkeiten …«
    »Kleinigkeiten?«, stieß Scharlach atemlos hervor. »Und dass er mir mein Weib weggenommen hat – was ist das? Auch eine Kleinigkeit?«
    Die massigen Schultern des Richters begannen plötzlich zu zucken; der ehrwürdige Ar-Maura fasste sich an die Stirn und begann zu lachen – leise, aber deutlich. Er wiegte sich auf dem Stuhl hin und her und winkte Scharlach, der die Zähne zusammenpresste, mit kraftloser Hand ab. Der Karawanenführer betrachtete den Richter mit verständnisloser Missbilligung.
    »Och …«, sagte Ar-Maura, nachdem er den Heiterkeitsanfall halbwegs überwunden hatte. »Das war vielleicht komisch, Ehrenwertester … Für so einen Verlust muss man doch dankbar sein … Aliyat?«
    »Aliyat«, stieß Scharlach zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Das Miststück! Aus dem Freudenhaus habe ich sie geholt, die Kobra, die verschlissene! Ja, ohne mich würde sie doch jetzt unter dem ganzen Palmenweg herumliegen …!«
    »Das ist, entschuldige, wieder unverständlich«, unterbrach ihn der Richter, der versuchte, ernst zu bleiben. »Wenn sie so ein Stück Dreck ist, wie du sagst, solltest du dir dann ihretwegen den Ruf ruinieren?«
    »Hä?«
    »Solltest du dich, frage ich, wegen so eines Weibes mit den Nacktfressen einlassen?«, musste der ehrwürdige Ar-Maura übersetzen. »Ehe du dich’s versiehst, fangen deine eigenen Leute an, dich zu verachten …«
    Der Karawanenführer fauchte und schaute den Ehrwürdigen wütend an. Derart unverantwortliche Reden hätte er von einem Richter nicht erwartet. Scharlach zog die Schultern krumm, krächzte. Das Verhör des erfahrenen Ar-Maura hatte ihn in die Enge getrieben.
    »Also?«, ermunterte ihn der Richter.
    »Was ›also‹? Ich grab sie bis zum Halse im Sand ein, und fertig! Wenn ich sie nur treffe!«
    Der massige Richter ließ müde die Lider sinken, seufzte und wandte sich mit dem ganzen Körper dem Karawanenführer zu. »Du wolltest meine Meinung hören, Ehrwürdiger?«
    Chaïlsa nickte gewichtig.
    »Nun denn«, sagte Ar-Maura. »Ich denke, wir sollten auf das freundliche

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