Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
Vom Netzwerk:
sich vom Samum zu verdrücken, sobald sie die Kette lösen würden, war Ar-Scharlachi jetzt der ganze Wahnsinn dieses Vorhabens bewusst. Sie würden ihn sofort als den Anführer hinrichten – nach dem Gesetz der Wüste …
    In den Raum kamen zwei Matrosen mit den Schlüsseln. Sie stolperten über den Leichnam und trampelten unbarmherzig darauf herum, während sie die Handschellen aufschlossen.
    »Keile lösen!«, kommandierte Aliyat. »Die Schiffsläufer an die Antriebstrommel!«
    Die Matrosen betrachteten verwirrt erst sie, dann Ar-Schar lachi. Die Befehle einer Frau auszuführen war bei ihnen noch nicht vorgekommen.
    »Tut, wie euch gesagt«, presste Ar-Scharlachi hervor.
    »Die Schiffsläufer sind von den Ketten befreit worden …«
    »Na und? Decksmannschaft, Läufer, Spiegelkämpfer – alle an die Trommel! Wir verschwinden, solange wir heil sind!«
    Einer der Matrosen gewann die Fassung wieder und stürzte aus dem Raum. Man hörte, wie er die Treppe unter Deck hinabstürmte und brüllte, dass es im ganzen Schiff zu hören war: »Scharlach befiehlt: Alle an die Trommel! Zack, zack, das Kamel soll euch besteigen!«
    Langsam, entsetzlich langsam bewegte sich die schwarze Masse des Samum über die mondhelle Wüste. Ar-Scharlachi schaute aus dem Deckhaus hinaus. Die Karawane stand noch, doch hinter den Luken und Sehschlitzen huschten schon Feuer hin und her. Dort wunderte man sich noch; der Gedanke an eine Meuterei auf dem Flaggschiff war gar zu abwegig. Über den bleichen Sand rannten zum ersten Schiff hin zwei Gestalten, stolpernd und sich in den weiten Mänteln verheddernd – das waren wohl die entkommenen Offiziere des Samum . Es hatte keinen Sinn, sie zu verfolgen …
    »Was kriechen wir denn!«, stieß Aliyat krampfhaft hervor. »Die holen uns ja zu Fuß ein!«
    Ar-Scharlachi wandte sich dem aufgeschossenen, etwas gebückt dastehenden Matrosen zu, der ohne ersichtlichen Grund zusammen mit ihnen ins Deckhaus gekommen war und ihn ergeben anblickte. Anscheinend einer der Rädelsführer.
    »Haben wir Reservesitze?«
    »Müssten wir …«
    »Aufhängen und bemannen!«
    »Wie?«
    »Wie du kannst! Schräg!« Ar-Scharlachi griff sich von einem Brett eine Sanduhr in Kupferfassung. »Nimm! Ablösung – alle drei Wendungen! Decksweise ablösen, damit wir in Fahrt bleiben, klar?«
    Der Matrose nahm die Uhr, blinzelte noch einmal erschrocken – und riss die Tür auf, um im grauen Mondzwielicht zu verschwinden. Aliyat schnaufte anerkennend.
    »Wie ist das alles passiert?«, fragte Ar-Scharlachi verzweifelt die Rudergänger.
    »Der Karawanenführer hat Aitscha den Schleier heruntergerissen«, erklärte einer der beiden Männer am Steuerrad widerwillig. »Na, und der hat ihm … Und wir stehen dabei, sehen, wir haben nichts zu verlieren … Und da …«
    Ich werde mich betrinken, beschloss Ar-Scharlachi finster. Bei der erstbesten Gelegenheit. Der Karawanenführer muss Wein in der Kajüte gehabt haben …
    Er wandte sich um und presste sich wieder an den hinteren Sehschlitz. Die Karawane – drei riesige schwarze Skorpione – war schon in Bewegung gekommen, formierte sich in einer Linie. Sie werden uns auf breiter Front verfolgen. Schlecht …

8
    Zwischen Harwa und Kimir
    D er böse Räubermond war den Meuterern gnädig. Nachdem er flugs zehn Schiffslängen Vorsprung gewonnen hatte, machte der Samum langsam und unablässig Schritt für Schritt Boden gut. Während auf den Schiffen der Verfolger die mit Wein und Peitsche angespornten Schiffsläufer sich wie üblich in zwei Schichten an die Trommeln legten, trat auf dem von Hoffnung und Furcht vorangetriebenen Samum die ganze Mannschaft abwechselnd in die Sprossen.
    Am Morgen aber fuhr der Ostwind in die Segel, und die Chancen glichen sich aus.
    Der Wind strich über die Wüste, riss Sand von den Dünenkämmen. Der Himmel bleichte zusehends aus, wechselte von einer staubig hellblauen Farbe zu weißlichem Gelb. Die Verfolgung ähnelte einem Sturm. Der von der Karawane gejagte Samum flog gleichsam in Sprüngen, immer wieder herabsinkend, über die Dünen der Tschubarra, umgeben von einer Staubwolke. Der Sand verstreute sich übers Deck, knirschte zwischen den Zähnen, heulte in den dicht verwobenen Fasern der vom Wind steifen Segel …
    Am Steuerrad standen Ar-Scharlachi und Riybra, der Anführer der Meuterer, von Müdigkeit und Schlafmangel benommen, und starrten angestrengt in den gelblichen Staubnebel hinter den herabgelassenen Blenden aus dickem kimirischem Glas. Für

Weitere Kostenlose Bücher