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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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die vierzig.
    »Was gibt’s da zu brabbeln? Gib Wein her, sag ich!«
    »Wein sollst du rausrücken, du! Schreiberling! Sollen wir dich erst aus der Luke ziehen? Gleich machen wir das …«
    »He!«, riss jemand den Mund auf. »Die Befehlshaber lassen sich auch blicken!«
    Die Menge begann sich zu regen, wendete sich gleichsam nach außen. Bald blickten schon alle Ar-Scharlachi und Aliyat an. Der Schreiber wollte schon die Gelegenheit nutzen und die Luke zuschlagen, doch Aliyat bedeutete ihm mit einer Hand bewegung, es zu lassen. Ihre Selbstsicherheit machte einigen Eindruck, und die Menge verstummte interessiert.
    »An wen ihr geraten seid, wisst ihr?«, erklang in der Stille Aliyats etwas spröde Jungenstimme, eher gleichgültig als verächtlich.
    »Ist uns doch egal …«, ließ sich aus der Menge ein anscheinend schon ziemlich betrunkener Schiffsläufer vernehmen.
    »Es heißt, an Scharlach …«, setzte ein zweiter vorsichtig hinzu.
    »Ihr wisst es also«, fuhr sie immer noch ausdruckslos fort. »Also, Scharlach möchte herausfinden: Wer von euch hat ohne Befehl zwei Geiseln getötet? Geiseln, für die er Lösegeld bekommen wollte.«
    »Was soll denn das?«, rief jemand weinerlich. »Dort Befehle, hier auch Befehle …! Womöglich willst du uns auch wieder anketten?«
    Die Menge regte sich, teilte sich, und vor Aliyat ragte ein riesiger Schiffsläufer mit blutigen, umgestülpten Augenlidern auf. Er riss sich den Kittel auf der Brust auf, fuhr mit einer seiner mächtigen Schultern heraus, drehte ihr den Rücken zu.
    »Lösegeld?«, brüllte er und zeigte die Narben vom Tau. »Dafür auch Lösegeld, was? Umgebracht haben wir sie … Und wenn wir die zweimal umgebracht hätten, wär’s zu wenig!«
    »Ich frage nicht, wie viele Male man sie hätte umbringen müssen. Ich frage, wer sie getötet hat. Du?«
    »Wer sie getötet hat, wer sie getötet hat …«, wurde sie in der Menge laut nachgeäfft. »Alle!«
    Gelächter dröhnte. Aliyat wartete geduldig, bis es verstummt war.
    »Was denn, vierzig Mann haben zwei umgebracht?«
    »Genau!«, wurde aus der Menge spöttisch bestätigt.
    Aliyat warf Ar-Scharlachi einen Blick zu. Dem war schon lange unbehaglich zumute.
    »Na, das war’s, was ich wissen wollte«, sagte sie. »Also alle vierzig.«
    »Leute, das ist doch ein Weib!«, rief jemand verdutzt.
    Die Menge war sprachlos.
    Aliyat lächelte nur. »Also was wollt ihr? Wein, oder?«
    »Gib Wein!«, heulten sofort etliche Kehlen auf, doch sie wurden vom allgemeinen Gelächter übertönt.
    »Gut«, sagte Aliyat ruhig und ging zur Luke. Ar-Scharlachi folgte ihr auf den Fersen.
    »Wer ist der Diensthabende? Aitscha? Lass zwei Fässchen Wein herbringen.«
    Der untersetzte Aitscha blinzelte, gehorchte aber. Bald wur den zwei Fässchen unter dem begeisterten Geschrei der Schiffs läufer über die Schwelle gerollt und von einem guten Dutzend Hände in Empfang genommen.
    »Zu wenig!«, rief jemand wehleidig. »Noch eins, wenn’s geht, Ehrenwerteste!«
    »Aitscha, noch ein Fässchen … Drei reichen vorerst? Na schön. Luke zu.«
    Die gewölbte Luke wurde zugeschlagen, die in den Führungen gleitenden mächtigen Holzriegel schurrten, und die Galeere begann plötzlich zu leben, zu murmeln. Irgendwo von unten her drang durch die Decksplanken ein gedämpftes Stimmengewirr, das sich allmählich in Flüche, Stöhnen, Wutschreie auflöste. Die Geiseln im Laderaum, begriff Ar-Scharlachi. Denen ging es jetzt besonders dreckig …
    »Geh ans Steuerruder«, sagte Aliyat leise. »Und ich gehe zu ihnen …«
    Ar-Scharlachi stieg zum Deckhaus hinauf, doch das jämmerliche Stimmengewirr folgte ihm auf der Treppe. Wie dünn die Trennwände auf den Schiffen doch waren! Die Bordwände gingen noch an – die waren dicker, stabiler –, aber innen …
    »Ruhe!«, fuhr dort unten Aliyats Stimme durch das Wirrwarr, und der Lärm verstummte für einen Moment. »Also, Ehrwürdige, wir wollen den Beinchen ein bisschen Bewegung verschaffen, ein bisschen Bewegung! Rechtes Füßchen auf die Sprossen – und treten … eins …!«
    Im Laderaum ertönte laute Entrüstung, die dann aber rasch verstummte. Anscheinend hatte Aliyat den Geiseln etwas sehr Überzeugendes gezeigt. Man konnte von Glück sagen, wenn es ein Tau war …
    »Niemand macht Späße mit euch, Ehrwürdige! Die Schiffsläufer dort draußen haben vor, euch abzumurksen, klar? Also ziert euch nicht, rechten Fuß auf die Sprosse … eins …!«
    Die Achsen quietschten, und die Galeere setzte

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