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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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ihm die Phiole an die Nasenlöcher. Ar-Scharlachi ächzte, versuchte sich loszureißen, doch ihr Griff war eisern. Er bäumte sich noch einmal auf – und gab sich geschlagen.
    Schließlich nahm seine Peinigerin das Röhrchen weg und verschloss es. Die Luft in der Kajüte des Karawanenführers Chaïlsa war jetzt von etwas unerträglich Scharfem und Widerwärtigem erfüllt.
    »Und? Lebst du wieder?«
    Ar-Scharlachi brachte es irgendwie fertig, sich aufzusetzen, und starrte Aliyat gequält aus tränennassen Augen an. »Was bist du doch für eine Bestie …«, brachte er mit Mühe hervor.
    »Wohin fahren wir?«, fragte sie ihn streng.
    Sein Gesicht verzog sich weinerlich. »Ich weiß nicht …«
    »Du weißt es! Wohin?«
    Ar-Scharlachi krümmte die Schultern und warf bekümmert den benebelten Kopf hin und her. Ohne ein Wort entkorkte Aliyat wieder die Phiole.
    »Hör auf!«, rief er erschrocken, doch die kleine kräftige Hand hatte ihn schon im Nacken gepackt. Der Kampf wiederholte sich.
    »Wohin?«, beharrte Aliyat.
    »Na, nach Ar-Maura …«
    »Warum?«
    »Hör mal, lass mich in Ruhe!«, bat er. »Gib mir lieber Wein …«
    »Gleich werde ich dir das ganze Zeug aus diesem Röhrchen in die Nase schütten!«, warnte ihn Aliyat in vollem Ernst. »Warum fahren wir nach Ar-Maura? Wer hat uns dorthin geschickt?«
    Ar-Scharlachi schwieg niedergeschlagen.
    »Wer hatte vor, es dem Richter heimzuzahlen?«
    »Ich w-will nicht …«, brachte Ar-Scharlachi hervor und sackte wieder in sich zusammen. »Ich will nichts heimzahlen … gar nichts will ich … schwarz, verkohlt … zuckt … haben ihn einfach so verbrannt …«
    »Ach …«, sagte Aliyat unerwartet schadenfroh. »Er tut dir leid, was? Der Schiffsläufer tut dir leid?«
    »T-tut er …«
    »Und wer ist schuld? Wer hat die Mannschaft aus dem Ruder laufen lassen? Wer hat diesen Hanswurst zum Gehilfen ernannt …?« Aliyats Nasenflügel blähten sich zornig. »Jetzt setzt du schon nicht mehr ein Schiff aufs Spiel, sondern zwei!«
    »Ich brauche ja gar nichts …«, stöhnte Ar-Scharlachi. »Weder Schiffe noch … Lass mich trinken!«
    »Lasse ich nicht«, sagte Aliyat unbarmherzig. »Am Morgen schenke ich dir ein Schälchen ein, wenn du das nun mal brauchst, aber für heute ist Schluss …! Und noch eins: Wenn wir nach Ar-Mauras Schatten kommen, gehst du keinen Schritt vom Schiff weg!«
    »Warum denn das?«, sträubte sich Ar-Scharlachi.
    Aliyat musterte ihn unwillig. »Du träumst doch davon, im ersten Hafen davonzulaufen! Was? Ist es nicht so?«
    Ar-Scharlachi schnaufte gekränkt. »Und du selber …?«
    »Was – ich selber?«
    »Du selber träumst davon … wie du uns an Scharlach ausliefern könntest … den anderen … echten …«
    »Ich träume davon«, bestätigte Aliyat leise.
    »Dann tu es doch so schnell wie möglich!«, brach es aus Ar-Scharlachi hervor. »Ich halte es nicht mehr aus!«
    Aliyat lächelte schmerzlich und trat ans Fenster, hinter dem ein dunstiger, gelblich brauner Sonnenuntergang schwankte.
    »Wenn ich nur wüsste, wo ich ihn jetzt suchen soll …«
    Nachdem sie im Morgengrauen an dem austrocknenden See Chaïlwe vorübergefahren war, schlich sich die Räuberkarawane von Westen her an Ar-Mauras Schatten an. Die riesige rötliche Sonne stieg über den Palmen der kleinen Oase empor, warf lange, struppige Schatten auf den von Rädern zerwühlten und wieder festgefahrenen Sand des hufeisenförmigen Hafens, wo für diese Nacht eine Postgaleere, ein klappriger einmastiger Segler und mehrere kleine Handelsschiffe Zuflucht gefunden hatten. Im Norden war der Hafen von einem heldenhaften Palmenhain gesäumt, der, halb im Sand stehend, aus letzter Kraft den Ansturm der Wüste aufhielt. Noch zehn Jahre vielleicht, und Ar-Mauras Schatten würde seinen bequemen Hafen einbüßen …
    Die Zeit für den Überfall war nicht zufällig gewählt worden. Indem er gegen die Sonne fuhr, hoffte Ar-Scharlachi, den Richter mit den Spiegelschilden einzuschüchtern, denn für den Nahkampf hatte er einfach nicht genug Leute.
    Im Morgengrauen hatte er, dank Aliyats Bemühungen wieder Herr seiner selbst, in der schwankenden Kajüte des Karawanenführers mit heiserer Stimme den Räubern den Schlachtplan dargelegt: »Hauptsache – den Spiegel nicht absenken. Denn wenn du das tust, setzt du irgendwas in Brand … Und das wollen wir nicht …« Er runzelte die Stirn, überwand den Kopfschmerz. »Das gestern war genug! In Brand stecken wird Iliysa mit seinen Jungs … und nur das,

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