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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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sich in Bewegung. Die Sandsenke ruckte, glitt ihnen langsam entgegen. Ar-Scharlachi stand am Steuer. Er schaute zurück. Im hinteren Sehschlitz sah er, wie die um die Fässchen versammelten Schiffsläufer sich verwundert nach der wegfahrenden Galeere umdrehten. Jetzt schrie jemand auf, zeigte mit der Hand nach vorn. Er hatte wohl bemerkt, dass am anderen Ende der Senke das rosa-goldene Heck des Samum verschwunden war. Stolpernd, fallend, wieder aufstehend rannten sie dem Einmaster hinterher.
    »Aitscha!« Aliyats Stimme war elastisch und fest wie ein Tau. »Nimm deine Leute – und an Deck! Wenn sie hochklettern wollen – haut zu!«
    Doch dieser Befehl war eigentlich schon nicht mehr nötig. Die Sandalen der Schiffsläufer, hauptsächlich dazu bestimmt, die Sprossen der Antriebstrommel zu treten, blieben heillos im Sand stecken. Und der Weiße Skorpion nahm Fahrt auf. Die Geiseln waren über Aliyats Worte, was die Freigelassenen vorhatten, ernstlich erschrocken.
    Bald schon tauchte der Samum auf. Das turmähnliche Heck strahlte rosa, versprühte Gold. Die Schilde glänzten. Alle vierzig, gerade passend zur Zahl der Gegner. Hinter den Rücken der Phalanx drängte sich die zur Gegenwehr entschlos sene Mannschaft. Ar-Scharlachi drückte gegen das Steuerrad, machte einen Bogen um die Menge.
    »Fertig, Ehrwürdige!«, erklang von unten her Aliyats Stimme. »Ruht euch erst einmal aus …«
    Die Türriegel schurrten schwer, die Luke wurde geöffnet. Ar-Scharlachi lief die Treppe hinab und sprang just in dem Moment auf den Sand, als der erste Schiffsläufer zwischen den Dünen auftauchte. Wohl derjenige, der als Erster dem Weißen Skorpion nachgerannt war. Als er sah, dass beide Schiffe angehalten hatten und niemand vorhatte, jemanden mitten in der Wüste auszusetzen, beruhigte er sich und verlangsamte den Schritt.
    »Warte, bis ich befehle, stehen zu bleiben …«, sagte Aliyat hastig zu dem finsteren, aufmerksam zuhörenden Iliysa. »Wenn er nicht stehen bleibt – Füße verbrennen. Leicht, aber so, dass er es merkt …« Sie wandte sich um und hob die Stimme. »Die anderen schweigen! Klar …?«
    Der Schiffsläufer befand sich schon an die dreißig Schritt entfernt. Alle Übrigen waren noch nicht zu sehen. Entweder waren sie zurückgeblieben, oder sie hatten einfach keine Lust zu rennen …
    »Halt!«
    Der Schiffsläufer blieb stehen, ließ den Blick über die kampf bereite Phalanx schweifen und lachte unsicher auf. »So viele gegen mich allein? Werdet ihr es denn schaffen?« Er machte einen Schritt vorwärts und heulte sogleich auf, sprang hoch, griff sich ans Bein und fiel seitlich auf die Düne. Er sprang auf und stürzte fluchend auf seine Peiniger los, und plötzlich passierte etwas mit seinem Gesicht. Schleier und Kopftuch wurden unerträglich Weiß, und im nächsten Moment flammten sie auf. Ein kurzer Schrei, wegknickende Beine – und der Schiffsläufer fiel kniend vornüber mit glimmendem Haar in den Sand.
    »Leg den Schild hin und tritt aus dem Glied!«, brüllte Iliysa.
    Ein erschrockener Matrose gehorchte, und Ar-Scharlachi begriff endlich, was geschehen war. Einer von den Neulingen, der vor Kurzem den Spiegelkämpfern zugeteilt worden war, hatte entweder zufällig oder vor Angst den Fokus auf das Gesicht des Läufers gerichtet.
    »Lauf hin!«, blaffte Iliysa. »Sieh nach, was mit ihm ist!«
    Sand versprühend rannte der Matrose zu dem Liegenden. Angelangt, ließ er sich auf die Knie fallen, presste das Ohr an den gekrümmten Rücken. Er lauschte lange, hoffnungsvoll. Dann stand er langsam auf, setzte sich hilflos hin und breitete die Hände aus.
    »Na, so was muss man können«, murmelte Iliysa. »Was machen wir?«
    Aliyat schwieg finster.
    »Was ist denn da zu machen!«, sagte sie schließlich abgehackt. »Brenn ihn zu Kohle. Jetzt ist es umso besser, je schlimmer es ist …«
    Iliysa bedeutete den Matrosen beiseitezutreten und gab einen Befehl. Das leise, aber deutliche Knistern aufflammenden Stoffes und das Zischen des Fleisches versetzten Ar-Scharlachi in Schrecken. Doch dann wurde es noch schrecklicher: Der schwarz gewordene Leichnam begann zu zucken, regte sich, als wolle er sich auf die Knie erheben – die Muskeln zogen sich zusammen, während sie verkohlten.
    »Genug«, sagte Aliyat leise. »Soll er rauchen …«
    In diesem Augenblick erschien hinter der Düne hervor die auseinandergezogene Horde der Schiffsläufer. Sie gingen ohne Eile – die reglos verharrenden Masten beider Schiffe waren sogar

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