Unter dem Räubermond
wohl ein bisschen Grips haben? Das ist doch Aliyat! Das ist Scharlachs Weib! Wenn dir dein Leben lieb ist, mach einen Bogen um sie …«
Irgendwo weiter vorn hinter mehreren Wänden kam trun kenes Stimmengewirr auf, übertönt von der heulenden Stimme des großnasigen Ard-Gew.
»Sie haben wieder welche gebracht«, bemerkte der Räuber. »Auf die Weise kriegen wir bis zum Morgen die ganze Mannschaft zusammen … Und wenn sich jemand bis zum Morgen nicht einfindet?«
Gorcha zuckte mit den breiten, knochigen Schultern. »Dann bleibt er in Turkla.«
Der Lärm veränderte sich. Auf die wüsten, trunkenen Schreie folgten Ausrufe des Erstaunens, dann ebbte das Stimmengewirr ab. Jetzt klang es gedämpft und ängstlich.
»Sie haben erfahren, was los ist.« Der Räuber nickte verstehend. »Tja … Lako, der flucht, tobt, aber unserer schweigt fein still, aber dann – batz! Und weg ist der Mensch … Da sieht man sich wohl oder übel vor.«
In diesem Augenblick endete das Gemurmel hinter den Wän den wie abgeschnitten. Der Samum schien für eine Sekunde menschenleer zu sein. Die Wachposten an der Luke wechselten vielsagende Blicke.
»Sie haben Scharlach geholt. Hörst du, wie sie still geworden sind …? Vielleicht sollten wir aufstehen?«
»Lass doch …«, murmelte Gorcha. »Wenn er herkommt, hören wir’s.«
Eine Zeit lang saßen beide da und lauschten angespannt dem unverständlichen, ehrerbietigen Gemurmel Ard-Gews.
»Und dann sagen sie noch«, begann der Räuber wieder und bewegte wie fröstelnd die Schultern, »Scharlach hat ihn überhaupt nicht angerührt, nur mit den Fingern so gemacht … Da ist dem das Messer von selbst aus der Hand gesprungen – und durch die Kehle …!«
»Hm …« Gorcha überlegte.
»Ja und …?«, brachte er schließlich respektvoll hervor. »Kann doch sein …«
Auf dem Weißen Skorpion fehlten zwei Leute, auf dem Samum fünf. Trotzdem beschlossen Lako und Ar-Scharlachi, nachdem sie sich beraten hatten, unverzüglich aus Turkla zu fliehen, ohne das Morgengrauen abzuwarten. Die beste Methode, die Leute zur Besinnung zu bringen, war, sie in die gewohnte schwere Arbeit einzuspannen.
Dieser überstürzte Aufbruch hätte, wie sich alsbald herausstellte, die Räuberkarawane beinahe gerettet. Das Morgengrauen erreichte sie, als die Turkla umgebenden Restberge mit den durch Windschliff sichtbaren Gesteinsschichten hinterm Horizont versanken. Von Deck waren sie jedenfalls nicht mehr zu sehen, dafür schlugen die Leute in den Ausgucks recht bald Alarm. Staub zur rechten Hüfte … Noch ein Staub … Zwei kleine Staubfahnen schwanzwärts … Das alles konnte nur eins bedeuten: Die auf rund zehn kleine Karawanen aufgeteilte Flotte Sibras zog sich von drei Seiten her um Turkla zusammen.
Ja, der Richter von Sibra, der ehrwürdige Ard-Nur, war tatsächlich ein alter Freund des linken Treibers von Turkla, des ehrwürdigen Aïlscha. Und konnte man einem alten Freund solch eine Kleinigkeit abschlagen, wie die Auslieferung des Räubers Scharlach? Wohl auf just diese Weise hatten einst in derselben Gegend die Truppen Kimirs einen anderen seinerzeit bekannten Räuber gefasst – Anarbi. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass die Würdenträger Tamsaa und Alras, die den Plan für diese Falle persönlich ausgearbeitet hatten, vorsätzlich einige Züge dieser alten Geschichte wiederholten und dabei zu Recht annahmen, was damals funktioniert hatte, werde auch diesmal klappen.
Das edle Turkla pflegte niemals jemanden auszuliefern. Darum mussten beide Räuberschiffe zuerst den Hafen verlassen und erst dann den Truppen Harwas in die Hände fallen. Und von dem Treiber Aïlscha wurde weiter nichts verlangt, als dafür zu sorgen, dass die in die Stadt entlassenen Räuber möglichst spät an Bord zurückkehrten – am besten morgens. Die übermäßige Eile der Anführer hätte den schönen Plan fast zunichtegemacht. Andererseits – wer konnte ahnen, dass sie vor Tagesanbruch die Flucht ergreifen würden, ohne abzuwarten, dass Riyta, Lakos Gehilfe, oder beispielsweise der Kommandeur der Spiegelkämpfer Iliysa an Bord zurückkehrten? Diese beiden und noch fünf weitere von den bekanntesten Räubern hatten die Nacht hinter Schloss und Riegel verbracht, in den Kellern desselben Palasts, wo am Tage der linke Treiber Aïlscha Scharlach so freundlich vor der ihm drohenden Gefahr gewarnt hatte.
Die ärgerliche Störung war jedoch durchaus zu beheben. Der Staub des Samum und des Weißen Skorpion wurde von den
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