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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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glaubhaft zu lügen vermag, ist bei Hofe kein Platz. Stimmst du mir zu?«
    »Ja, Herrscher«, antwortete Tamsaa ehrerbietig, aber fest. »Ich hatte auch den Eindruck, dass der ehrwürdige Chaïlsa auf diese Weise versucht, aus der unangenehmen Geschichte herauszukommen. Aber ich durfte seinen Bericht nicht verheimlichen, so dumm er mir auch vorkommt.«
    Ulqar hörte auf zu lächeln, über sein abgezehrtes Gesicht lief das bekannte nervöse Zucken. Der Herrscher stand rasch vom Tisch auf und ging in dem mit lila Seide ausgeschlagenen Kabinett auf und ab.
    »Nun, nehmen wir an, man hat ihn vertauscht«, begann er, nun schon gereizt, und wandte sich jäh zu Tamsaa um. »Zu welchem Zweck? Wer hatte das nötig und wozu?«
    »Aus dem Bericht Chaïlsas ergibt sich, dass Scharlach selbst es eingefädelt hatte«, erinnerte ihn der Würdenträger leise.
    »Zweifellos!« Der Herrscher lächelte böse. »Und nun, hat niemand den Tausch bemerkt? Weder die Wachen noch der Komplize, mit dem man ihn hergebracht hat?«
    »Die Komplizin …«, berichtigte ihn der Würdenträger im Ton einer Entschuldigung.
    Ulqar stutzte. »Eine Frau?«
    »Ja, Herrscher …«
    Ein paar Sekunden lang schwieg Ulqar irritiert.
    »Na schön«, sagte er schließlich. »Eine Komplizin … Ich kann noch verstehen, warum sie geschwiegen hat. Aber erkläre mir, warum der geschwiegen hat, mit dem sie ihn vertauscht haben! Er dachte sicherlich, dass er zur Hinrichtung geführt wird, und trotzdem – kein Wort, kein Versuch, sich zu rechtfertigen! Wer ist das? Wo kommt er her …? Oder war er seinem Anführer so ergeben, dass er für ihn sterben wollte?«
    Der ehrwürdige Tamsaa, noch immer gebückt, breitete hilflos die weichen Hände aus. »Gebieter …«
    »Und noch etwas!« Ulqar machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder auf dem rot-lila kimirischen Teppich hin und her. »Kann denn der Richter Ar-Maura derart blind gewesen sein …«
    Ulqar blieb stehen und schwieg lange. Sein graues, zerquältes Gesicht war erstarrt. Nach einer Weile ging er langsam zum Tisch, setzte sich.
    »Ar-Maura …«, murmelte er vor sich hin und blickte an dem Würdenträger vorbei. »Ar-Maura …« Dann kam Leben in seine Augen. »Was hört man von ihm?«
    »Er beklagt sich, dass er das Geld nicht zurückerhält, das er Scharlach für die Gefangenen gezahlt hat.«
    »So?«, fragte Ulqar zurück, der mit den Gedanken sichtlich woanders war. »Übrigens, welchem von den Scharlachs? Dem, den man zu mir gebracht hat?«
    »Ja, Herrscher, zweifellos. Der ehrwürdige Ar-Maura hat mitgeteilt, dass das Führungsschiff der Meuterer der Samum war.«
    Ulqar musterte den Würdenträger mit einem unguten Lächeln. »Alles, was man ihm raten kann«, bemerkte er mit beißendem Spott, »ist, sich das Geld von Scharlach selbst zu holen. Soll er sich damit befassen … Befiehl dem ehrwürdigen Chaïlsa in meinem Namen, nach Ar-Mauras Schatten zu fahren, und dem Richter … Der Richter soll ein Schiff ausrüsten und befehligen, welches sich der Karawane anschließt. Ich denke, das wäre nur gerecht … Von neuen Scharlachs will ich nichts mehr hören. Ich brauche den Scharlach, mit dem ich hier gesprochen habe … Was ist, Ehrwürdiger?«
    Der ehrwürdige Tamsaa war bleich. Alle seine Hoffnungen waren zerstoben.
    »Herrscher …«, brachte er mit Mühe hervor, dann verstummte er. Die eintretende Stille verhieß nichts Gutes.
    »Gewiss …« Ulqar verzog den Mund, voller Abscheu und resigniert. »Er ist wieder entkommen … Jetzt verstehe ich, warum ihr so verzweifelt versucht habt, mir einen anderen Scharlach unterzuschieben … Was schweigst du?« Er bedachte den Würdenträger mit einem wütenden Blick. »Ist er entkommen?«
    »Ja, Herrscher …«
    »Auf welche Weise?«
    »Gestern hat die Flotte von Sibra Scharlach gegen die Sande der nickenden Hämmer gedrängt …«
    Als er hörte, wie die nickenden Hämmer erwähnt wurden, fixierte Ulqar den Würdenträger mit seinen eingesunkenen Augen, in denen jener zu seiner Verwunderung und Erleichterung weder Zorn noch Erschrecken las. Der Herrscher schaute den Ehrwürdigen misstrauisch an – weiter nichts.
    »So … Und?«
    »Er hat nicht angehalten …«, rang sich Tamsaa ab. Er wagte es, sich mit den Fingerspitzen die Schweißtropfen von der Schläfe zu wischen.
    »Er ist entkommen … dorthin?! « Der Herrscher war aufgesprungen.
    »Ja, Herrscher … Ein paar Meuterer sind über Bord gesprungen und haben sich den Truppen ergeben. Sie wurden verhört.

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