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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Harwa daran hinderte, dort Spitzel und Informanten zu unterhalten. Spione gab es im Niemandsschatten nicht weniger als in Turkla oder, sagen wir, in beiden Hauptstädten. Just dorther kamen die wertvollsten Meldungen über äußere wie auch innere Feinde: Der Wein löste die Zungen, und das Gefühl der Sicherheit ließ die Wachsamkeit abstumpfen. Geheimnisse auszuforschen brachte den Bewohnern Ar-Kahirabas wohl ebenso viel Gewinn wie der Weinhandel.
    Nachdem er von Bord des Salamander gegangen war, begab sich der Karawanenführer Chaïlsa in Begleitung zweier Offiziere und einer Leibwache zum Zeitvertreib in den Weinkeller des ehrenwerten Oido, eines recht ehrgeizigen Mannes, der für seine Sittenstrenge bekannt war und nicht jeden x-Beliebigen einließ. Ein weiterer Grund für diese Wahl war es übrigens, dass die wachsamen Augen und Ohren Oidos schon seit gut drei Jahren dem ehrwürdigen Alras und sonst niemandem gehörten. Freilich, soweit es die Bewohner des Niemandsschattens betraf, konnte man sich nie ganz sicher sein. Sie alle schwören bei den vier Kamelen Treue und Ergebenheit, und ehe du dich’s versiehst, haben sie deine Geheimnisse an Gäste aus Kimir verkauft …
    Die rotblonden, grau melierten Brauen Oidos gingen ungläubig in die Höhe, als er den Karawanenführer mit seiner Begleitung erblickte. Im nächsten Moment allerdings zogen sich Freudenfältchen durch die rosige, braun gefleckte Stirn, und der Wirt würdigte wortreich die hohe Ehre, die der ehrwürdige Chaïlsa seinem Hause erwies. Das rote Gesicht des Gastes regte sich dabei jedoch nicht, es blieb unbewegt und finster. Nach der Begrüßung zu urteilen hatte der ehrenwerte Oido schon allerlei von den Abenteuern des Karawanenführers gehört.
    »Was?«, fragte Chaïlsa abgehackt, als sie unter sich waren.
    Über den kleinen gepflasterten Innenhof spazierten perlgraue Turteltauben, der Teppich war neben einer Platane ausgebreitet, die die Borke abgeworfen hatte. Oido saß leicht gekrümmt auf Kissen; für den Karawanenführer hatte man einen geschnitzten Stuhl gebracht, der sichtlich aus Harwa stammte. Aus der Tiefe des Hauses drang unterbrochenes Mädchenlachen, dazu das tönende Gelächter der Offiziere. Ihnen war befohlen worden, sich zu vergnügen, und zwar so laut wie möglich.
    »Alras denkt, dass du bei der Meuterei umgekommen bist«, sagte Oido leise.
    Der Karawanenführer nickte finster.
    »Vor acht Tagen«, fuhr der Hausherr fort, wobei er sich ein Stück erhob und Wein in das Glas auf dem niedrigen Tischchen goss, das einer Laune des Schnitzers zufolge auf vier Skorpionbeinen stand, »hat man mir übermittelt, er wüsste gern, wo sich Scharlach derzeit aufhält.«
    Der ehrwürdige Chaïlsa stellte mit zitternder Hand das Glas auf den Tisch, das er gerade zum Munde führen wollte, und verschlang den Wirt mit Blicken. »Woher weiß er von Scharlach?«
    Sein Gegenüber blinzelte mit den rotblonden Wimpern. »Mir scheint, von dem wissen inzwischen alle«, ließ er sich vorsichtig vernehmen. »In letzter Zeit ist von nichts anderem die Rede als von diesem Räuber …«
    »Ach so?«, presste der Karawanenführer hervor und griff wieder nach dem Glas. »Interessant … Einen feinen Neffen habe ich, alles was recht ist! Den eigenen Onkel hat er im Handumdrehen begraben und vergessen, aber irgendein Scharlach interessiert ihn lebhaft … Erzähl mir Näheres darüber, ehrenwerter Oido.«
    In der Stimme des Karawanenführers klangen böse Töne mit, darum vergewisserte sich der Wirt mit den rotblonden Brauen lieber: »Worüber genau, Ehrwürdiger?«
    »Stell dich nicht dumm! Was hast du ihm geantwortet?«
    Oido blickte den Gast vorwurfsvoll an. Er schaute genauer hin – und wurde unruhig. »Ich habe geantwortet, dass sich Scharlach hier befindet.«
    »Im Trunkenen Schatten?«
    »Ja … Er hat eine neue Bande zusammengebracht, in Turkla über einen Mittelsmann eine Postgaleere gekauft …«
    Der Karawanenführer stellte das Glas geräuschvoll auf den Tisch. »Und der Samum ?«
    Oido zog besorgt und verständnislos lange die Schultern hoch. »Mir kam das auch sonderbar vor«, gab er zu und senkte aus irgendeinem Grund die Stimme. »Der ehrwürdige Alras hatte just nach dem Kriegs-Zweimaster Samum gefragt … Aber hier war kein Samum . Scharlach hatte eine Galeere gekauft, irgendeinen Kaufmann überfallen …« Oido blickte plötzlich mürrisch drein und schüttelte sogar missmutig den Kopf. »Sie haben Scharlach eine Karawane aus Sibra hierher

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