Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
Vom Netzwerk:
Wie sich herausstellt, war auf dem Samum Unwille laut geworden, die Leute verlangten umzukehren, aber Scharlach wollte nichts davon hören …« Tamsaa verstummte, den Blick voll Angst auf den Herrscher gerichtet.
    Der hatte den in einer halben Verbeugung erstarrten Würdenträger vergessen und rieb sich, tief in Gedanken versunken, die schwarzen Schatten unter den reglosen Augen.
    »Na ja …«, sagte er unsicher und wie zu sich selbst, während er sich auf den Stuhl setzte. »Letzten Endes ist das ja ein Meuterer … Wir können ja wirklich nicht jeden Einzelnen im Auge behalten …«
    Es war, als ob sich der Herrscher vor jemandem rechtfertige. Sein Blick irrte über die lilafarbenen Seidenstoffe, wandte sich dann wieder dem ehrwürdigen Tamsaa zu.
    »Sag mal … Was hatten die über Bord Gesprungenen noch zu erzählen? Hat er etwa so, ohne zu zögern, den Samum gegen die nickenden Hämmer gefahren?«
    Er hatte die Frage nicht von ungefähr gestellt, zu vorsichtig, fast ängstlich. Den Herrscher beunruhigte offensichtlich etwas, was dem Würdenträger nicht bekannt war.
    »Ich habe sie nicht verhört, Herrscher. Aber aus dem über sandten Schriftstück geht hervor, dass es sich genau so verhielt.«
    »Seltsam …« Ulqars Hände tasteten gedankenlos über den Tisch, berührten Pergamentrollen, zuckten zurück. »Damals, bei unserer Begegnung, ist er mir nicht besonders kühn vorgekommen … Und plötzlich solch ein selbstmörderischer Mut … Seltsam, nicht wahr?«
    »Vielleicht war es tatsächlich Selbstmord«, wagte Tamsaa zu vermuten.
    Ulqar blickte den Würdenträger bedauernd an, und dem wurde sogleich leichter ums Herz. Anscheinend war das Unheil abermals an ihm vorbeigegangen.
    »Aber alles in allem fügt sich das gar nicht so schlecht«, bemerkte Ulqar unerwartet forsch und stand auf. »Der Befehl bezüglich Chaïlsa und Ar-Maura bleibt in Kraft. Der Karawanenführer soll sich der Flotte Sibras anschließen und zusammen mit ihr die gesamte Umgebung der nickenden Hämmer überwachen. Beachte: Ich brauche Scharlach lebendig! Und ich meinerseits versuche …« Ulqar wurde wieder mürrisch und verstummte.
    »Herrscher …«, wagte ihn Tamsaa anzusprechen.
    »Ja?«
    »Aber von dort kommt niemand zurück, Herrscher!«
    »Manchmal doch«, bemerkte Ulqar rätselhaft wie zu sich selbst.
    Der Samum stand an der Grenze der verbotenen Sande. Am Horizont wanderten Staubfahnen hin und her, und das konnte nur eins bedeuten: Sie lauerten ihm immer noch auf. Von Zeit zu Zeit meldete der Mann im Ausguck gelangweilt einen neuen Staub. Es hatte keinen Sinn, Segel zu setzen, das hätte den Standort des Schiffes sofort verraten. Klüger war es, bis zur Nacht zu warten und dann zu versuchen, mit Muskelkraft durchzuschlüpfen.
    »Na, hier werden sie sich nicht blicken lassen«, sagte Aliyat und betrachtete besorgt den ungewohnt schweigsamen und finsteren Ar-Scharlachi. »Immerhin, die Hämmer …«
    Er seufzte nur trübsinnig und goss Wein in die Schale.
    »Staub zur linken Schulter!«, schrie es wieder vom Ausguck herab.
    Ar-Scharlachi hielt es nicht mehr aus. »Hör mal! Geh auf Deck, sag, er soll runterkommen. Ich hab’s satt …«
    »Also das geht nicht«, entgegnete Aliyat stirnrunzelnd. »Ohne Beobachter geht es nicht …«
    Sie schwieg eine Weile, dann stand sie auf und nahm ebenfalls eine Schale aus dem Schränkchen. Sie goss Wein ein, überlegte, dann mischte sie ihn mit Wasser. Sie schlug den Schleier beiseite, hob die Schale an die Lippen und zögerte; sie erwartete wohl, Ar-Scharlachi werde knurren: »Pass auf, dass du dich hier nicht betrinkst, bei mir ist das etwas anderes …«, oder dergleichen. Doch Ar-Scharlachi schwieg, und Aliyat stellte die Schale auf den Boden, ohne einen Schluck getrunken zu haben.
    »Du bist wie ausgewechselt.« Sie sagte es ganz ernst.
    »So komme ich mir auch vor …«, knurrte er und blickte sie plötzlich aus völlig nüchternen, gleichsam ins Leere gesunkenen Augen an. »Erinnerst du dich an die Nacht vor der Meuterei? Du hast mich gefragt, was dort jenseits der Berge ist, und ich habe dir von dem Manuskript des falschen Aregug erzählt …«
    »Ich weiß«, antwortete Aliyat leise und reserviert. »Du hast gesagt, dass auf der anderen Seite der Berge irgendwelche Bemalten aus dem Meer kamen und die Menschen überfielen … Meinst du das?«
    Ar-Scharlachi nickte gramvoll. »Weißt du … Je mehr ich von dieser Welt verstehe, umso weniger möchte ich sie verstehen.«
    »Was meinst

Weitere Kostenlose Bücher