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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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nachgeschickt«, teilte er unzufrieden mit. »Aber dann habe ich erfahren, dass noch zwei Karawanen seinetwegen nach Turkla gefahren sind … Ehrlich gesagt, ich war sogar etwas gekränkt. Für gewöhnlich hat der ehrwürdige Alras meinen Worten mehr Vertrauen geschenkt …«
    »Deine Kränkungen kannst du für dich behalten! Hat man ihn ergriffen?«
    »Nein … Wie sollten sie denn? Der Niemandsschatten. Nichts zu machen. Versuch mal einer, hier unter Waffen aufzukreuzen! Die eigenen Leute würden es ihm nicht verzeihen! Unsere Leute hier haben sich allerdings Sorgen gemacht, es hieß, die Truppen hätten Befehl, ohne Scharlach nicht zurückzukehren … Das heißt, sie hätten den Schatten umzingelt, Wachen aufgestellt, und für uns hätte das natürlich Verluste gebracht … Und in der Tat: Einen Tag lang stand die Karawane hier. Einen Tag lang! Und dann tauchten Gerüchte auf, Scharlach habe, während sie hier auf ihn lauerten, den Hafen von Sibra angezündet …«
    »Mit einer einzigen Postgaleere?« Der Karawanenführer verzog verächtlich den Mund.
    Oido mit den rotblonden Brauen presste beteuernd die Hände an die Brust. Seine Augen blickten unglücklich. »Ja, hier war die Postgaleere, hier!«, rief er klagend aus. »Wie sollte sie aus dem Hafen fahren, wenn da die Karawane stand? Und Scharlach war auch hier, er ist nirgends hingefahren! Ich schwör’s bei den vier Kamelen, ich habe fast den Verstand verloren mit diesem Scharlach …! Ich lüge doch nicht! Wozu sollte ich lügen …? Aber der ehrwürdige Alras glaubt mir nicht; jemand hat ihm gesagt, Scharlach sei jetzt in Kimir und raube die Grenzoasen aus …« Oido warf einen Blick auf den Karawanenführer und verstummte abrupt.
    »Das war nicht Scharlach!«, stieß der ehrwürdige Chaïlsa hervor. »Sprich weiter!«
    »Dann wegen Turkla … Es heißt, sie haben eine Karawane zusammengestellt, haben Scharlach zum Anführer gewählt, Sibra niedergebrannt … Das kann doch nicht sein!«
    »Und wer hat es dann niedergebrannt?«
    »Na, eben irgendein anderer Scharlach!«
    Auf den Wangen des Karawanenführers traten die Kaumuskeln hervor, eine rote, schwere Faust legte sich auf den Rand des geschnitzten Tischchens. »Was heißt ›ein anderer‹? Vielleicht ist der Scharlach, von dem du redest, der ›andere‹?«
    Der ehrenwerte Oido warf die Hände hoch. »Ehrwürdiger! Erlaube! Wie sollte ich Scharlach nicht kennen, wo er doch schon ein paarmal im Niemandsschatten Beute verkauft hat? Vor Kurzem haben sie ihn gefasst, nach Harwa gebracht, dann hat er entweder eine Meuterei angezettelt oder ist geflohen … wieder hier aufgetaucht … Du fragst doch nach diesem Scharlach?«
    »Wo ist er jetzt?«, sagte der Karawanenführer langsam und verfärbte sich dunkelrot.
    »Ja, hier! Wo denn sonst? Er vergnügt sich mit seiner Bande im Haus von Imirpa …«
    Der ehrenwerte Oido verstummte und rutschte erschrocken auf dem Kissen hin und her, versuchte Abstand zu gewinnen. Er sah zum ersten Mal, wie das Blut, statt dem Karawanenführer zu Kopfe zu steigen, aus seinen ziegelroten Wangen wich.
    »Wo ist Scharlach?«
    An betrunkene Rufe hatte man sich in Ar-Kahirabas Schatten längst gewöhnt, darum zuckte die behaarte Pranke des finster dreinblickenden Räubers nicht einmal, als er den Becher mit den Spielwürfeln auf dem lackierten, abgeschabten Brett umdrehte. Von den Sitzenden wandte nur einer den Kopf zu dem eingetretenen Schreihals um und blickte dann sofort wieder auf die Würfel.
    Es musste ein außerordentlich glücklicher Wurf gewesen sein. Jemand krächzte, die anderen schnalzten anerkennend.
    »Ich frage, wo ist Scharlach?«, brüllte der ehrwürdige Chaïlsa wieder.
    Alle drehten sich langsam zu ihm um, und der Karawanenführer erzitterte vor Hass. Die strengen Räuberaugen über den weißen Schleiern betrachteten ihn mit träger Verachtung.
    »Mit euch spricht der Karawanenführer Chaïlsa!«
    Die Räuber tauschten Blicke, bewegten verständnislos die breiten Schultern. Schließlich stand der, der die Würfel geworfen hatte, gemächlich auf – er war einen Kopf größer als der untersetzte Karawanenführer –, trat mit drohend gesenkter Stirn auf ihn zu. »Und?«, sagte er finster mit etwas heiserem Bass.
    Chaïlsa knirschte mit den Zähnen. Für dieses »Und« hätte er den dreisten Kerl am liebsten bis zum Halse in einer Düne eingraben lassen.
    »Wo ist Scharlach?«, brachte der Karawanenführer leise hervor und bewahrte mit letzter Kraft Haltung.
    Die

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