Unter dem Safranmond
mehrsträngige Ketten bunt bemalter Tonperlen um die Hälse geschlungen, hüteten Ziegen unter Myrrhen- und Feigenbäumen. Laut kreischend und mit langen Stöcken trieben sie ihre Tiere von den Feldern weg und von Gesträuch, das mit kleinen, dunkelvioletten Beeren übersät war, die auf diese offenbar eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübten. Im letzten der wadis stiegen Lehmterrassen mit scharf abgegrenzten Wänden an, von Äckern überzogen, wo die Flächen groß genug waren. Frauen und Kinder tränkten Vieh, schlugen mit Stöcken auf Bäume ein, um die Beeren zu ernten, die Maya schon vor einiger Zeit gekostet hatte. Während sich auch der Reitertrupp eine Pause mit Wasser und Brot gönnte, brachte Rashad Maya eine Handvoll der dunkelroten Beeren, die er ihr wortlos übergab, wenn auch seine Augen über dem schwarzblauen Tuch nicht gerade unfreundlich blickten.
Auf den Felsgraten in der Ferne waren Türme zu sehen; eine Festung tauchte auf, um die sich kleine unscheinbare Häuser drängten, die nur um die eckigen Fensteröffnungen mit einem schmalen weißen Band bemalt waren, weil Kalk hier selten war. Schließlich wurde am Horizont ein heller Fleck in der flirrenden Luft sichtbar: Nisab. Zum Greifen nahe, und doch schien Maya der Weg dorthin endlos, denn die Hufe der Pferde versanken im Boden, der weich und rieselnd war wie Maismehl. Der Himmel wurde trüb, als ein Wind heranfegte, der Staub und Sand vor sich hertrieb, ihren Ritt noch zusätzlich behinderte, die Stadt wieder in die Ferne rücken ließ und mit einem geblichen Vorhang verhüllte. Hügelketten erhoben sich aus dem pudrigen Untergrund, ebenso braun wie die kleinen, aus Lehm erbauten Dörfer davor.
Vor einer dieser Siedlungen herrschte reges Treiben; Menschen, die in Gruppen zusammenstanden und deren farbige Kleidung weithin leuchtete wie ein bunter Flickenteppich: kräftiges Rot und Blau, Ocker, Grau und Gelb, Mauve, Moosgrün und Indigo. Gestreift, kariert, geblümt. Ein junger Mann in weißem Gewand, in der Taille von einem grünen, bestickten Gürtel gerafft, in dem eine djambia steckte, kam auf sie zugerannt, seine langen Arme schwenkend und unter lautem Rufen, von fröhlichem Lachen immer wieder unterbrochen. Rashad bedeutete den hinter ihm Reitenden anzuhalten und trabte voraus, beugte sich halb aus dem Sattel, als er den Mann erreicht hatte, der Rashad mit einer Wortflut überschüttete, auf die dieser erst mit Kopfschütteln, dann mit Lachen und schließlich mit einem Nicken reagierte, und frohgemut stürmte der junge Mann wieder in Richtung des Dorfes.
»Wir sind eingeladen. Der Vortag einer Hochzeit«, erklärte Rashad in auch für Maya verständlichem Arabisch, als er wieder zu ihnen stieß, und gemeinsam ritten sie hinüber in das Dorf, wo das Fest stattfand.
Was aus der Entfernung wie eine einzige Menschenmenge ausgesehen hatte, löste sich beim Näherkommen in zwei Gruppen von je Männern und Frauen auf. Letztere nahm nach dem Absteigen sofort Djamila in Beschlag. Djamila, die Maya gestern mit vor Verlegenheit hochrotem Kopf um Hilfe hatte bitten müssen, als sich ihre monatliche Blutung ankündigte, und die Maya – bestens vorbereitet – mit Tüchern aus ihrem Gepäck versorgte, sich darum kümmerte, dass häufiger gerastet wurde als an den Tagen zuvor und die die gebrauchten Stoffstücke dann heimlich tief im Boden vergrub. Sehnsüchtig blickte Maya ihr nach, denn das zirpende Lachen der Frauen übte einen betörenden Sog auf sie aus. Einige der Frauen tanzten zu gleichförmigen, dennoch nicht eintönig gesungenen Melodien, begleitet von rhythmischem Händeklatschen, und die Fröhlichkeit wurde noch gesteigert durch hohe Triller, die aus ihren Kehlen zum Himmel emporflogen. Maya indes wurde nach dem bewährten Muster durch zwei von Rashads Männern abgeschirmt, als sie zu der anderen Gruppe hinübergingen, Rashad und Salim vorneweg. Auch hier wurde getanzt: immer zwei Männer innerhalb des Kreises der männlichen Dorfbewohner, die hoch erhobenen kleinen Finger ineinandergehakt, auf- und abspringend, bis sich ein Dritter aus dem Kreis löste und einen der beiden ersetzte. Die Zeit für diesen Wechsel wurde mit dem Taktschlag klatschender Hände abgemessen. Schlank waren sie alle, wirkten sehr jung, wie ihre Locken flogen und ihre schwarzen Augen blitzten. Graziös tanzten sie, und doch nicht unmännlich, vor allem nicht, als sich weitere Männer zu den Tänzern gesellten, mit beiden Beinen schnell aufstampften, was ein
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