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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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geschworen, den Weg nach Ijar so gut zu kennen wie die Wickelungen seines Kopftuches! Eine glatte Lüge, wie sich nun herausstellte.
    »Ich kenne ihn natürlich« , beeilte sich Muhsin zu erklären, »aber nicht so gut wie die Leute, die ihn ständig benutzen. Bitte, said «, bettelte er, »bleiben wir hier, bis es wieder hell wird!«
    Hin- und hergerissen zügelte Ralph sein Pferd. Bei Dunkelheit weiterzureiten, ohne den Weg genau ausmachen zu können und ihn auch nicht aus Gewohnheit im Gefühl zu haben, barg enorme Risiken. Hier zu übernachten versprach allerdings auch mehr als ungemütlich zu werden und bedeutete außerdem eine weitere Verzögerung. Seine Unentschlossenheit übertrug sich auch auf seinen Wallach, der ohnehin nur für schnelle Ritte durch Ebenen, allenfalls noch durch Sandflächen gezüchtet worden war, nicht aber für das Gebirge, und mit Ralph auch keinen Reiter im Sattel hatte, der ihn mit sicherer Hand durch dieses unwegsame Gelände leitete. Nervös machte er ein paar Schritte auf der Stelle, trat dabei auf einen losen Stein, der wegkullerte, und knickte mit dem Hinterlauf um. Panisch versuchte das Pferd wieder Boden unter den Huf zu bekommen und schwankte leicht. Beruhigend redete Ralph auf den Wallach ein, ließ ihn ein paar Schritte zurückgehen. Doch wieder verfehlte dieser sicheren Grund, tastete hektisch mit dem Huf umher, geriet dabei zu dicht an die Böschung und aus dem Gleichgewicht. Ralph riss an den Zügeln, um das Tier zurück auf den Weg zu bringen. Aber als er den starken Sog der Schwerkraft spürte, wand er instinktiv seine Stiefel aus den Steigbügeln, ließ die Zügel los und warf sich mit aller Kraft seitwärts. Hart schlug er auf, das angsterfüllte Wiehern des Wallachs gellend in den Ohren. Er spürte, wie er über eine harte Kante hinabrutschte, bekam einen rauen Felsvorsprung zu fassen, hangelte und zog sich empor, während es unter ihm einen dumpfen Schlag gab. Hände packten ihn und brachten ihn in Sicherheit. Die Schreie des Tieres gingen ihm durch Mark und Bein. Ohne lange nachzudenken, zog er seinen Revolver und feuerte nach Gehör, abwärts in die Finsternis, bis die Trommel leer war. Als das Echo des letzten Schusses, von allen Seiten zurückgeworfen, verhallt war, war es still. Totenstill.
    Private Fisker ließ Ralphs Schulter los, klopfte kurz in ermunternder Absicht darauf und ging zu seinem Pferd zurück, das einer von Muhsins Männern wieder beruhigt hatte. Ralph starrte in die Dunkelheit hinab, die nicht nur sein Reittier verschluckt hatte, sondern auch seinen Schlafsack, Kleidung, Gewehr und Munition.
    »Vor Nisab können wir nirgendwo ein neues Pferd erwerben, said «, hörte er Muhsins Stimme. Ralph nickte, obwohl Muhsin es nicht sehen konnte. Alles Dinge, die sich ersetzen ließen. Die Briefe. Ich habe deine Briefe verloren.
    Mit zitternder Hand fuhr sich Ralph über seine Wangen, die nass waren. Er hatte Angst. Dies war kein Gebirge wie diejenigen, die er im Norden Indiens kennengelernt hatte. Mehr feindselig denn nur rau erschien es ihm, genauso wie das, was er bislang von diesem Land zu Gesicht bekommen hatte. Diese ganze Reise schien unter keinem guten Stern zu stehen. Unwillkürlich blickte er zum Himmel. Wolkenfetzen blendeten große Bereiche der schimmernden Lichtpunkte aus. War er hier, um Buße zu tun? Ich mache es wieder gut, Maya, ich mache alles wieder gut.
    Nur ein kleines Stück weiter oben erreichten sie ein kleines Felsplateau, das ihnen ein unbequemes, aber erträgliches Nachtlager bot. Am nächsten Morgen, gleich nach Sonnenaufgang, ließ Ralph sich von Muhsins Männern die Felswand hinabseilen, bis hinunter zum Kadaver des Pferdes. Munition, den zusammengerollten Schlafsack und einen Teil des Proviants konnte er bergen. Doch das Gewehr war am Kolben stark beschädigt und unbrauchbar, und die am Sattel befestigte Ledertasche mit seinen beiden Hemden und dem Briefbündel war durch den Aufprall abgerissen und irgendwo zwischen den Felsspalten verschwunden. Verzeih mir! Das und so viel mehr.

9
     Der Weg, über den Jahrhunderte zuvor die mit Schätzen beladenen Kamele getrottet waren, derselbe, den Rashad für ihre Reise nach Ijar ausgewählt hatte, krümmte sich um dunkle, längs gerillte Bergkegel herum, während sich auf der rechten Seite das sandige Meer der Ramlat as-Sabatayn erstreckte. Immer wieder peitschte der Wind durch deren Wellen, trieb zarte Schleier zu den Bergen hin, die den Reitern in den Augen kratzten und auf der

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