Unter dem Safranmond
Ausrüstung und des Proviants zog sich in die Länge, bis sie schließlich mit anderthalb Tagen Verspätung aus Lahej aufbrachen, in Richtung Shuqra, und von dort aus weiter nach Lodar.
»Der Sultan bietet uns an, für heute Nacht seine Gäste zu sein«, wandte sich Muhsin endlich wieder an Ralph. Dieser blies die Wangen auf und war schon drauf und dran, höflich, aber bestimmt abzulehnen, als er bemerkte, wie flach die Sonnenstrahlen inzwischen über den Häusern von Az-Zara lagen und sie in kupfernes Licht tauchten. Weit würden sie heute ohnehin nicht mehr kommen, ehe die Nacht hereinbrach und die ohnehin wenig bequeme Straße unberechenbar machte. Zudem legte Muhsin ihm mit der Andeutung eines Nickens nahe, unbedingt zuzusagen; daher nahm Ralph die Einladung des Sultans dankend an.
Und der Sultan von Lodar machte der viel gerühmten arabischen Gastfreundschaft alle Ehre. Stolz führte er seine englischen Gäste durch die Stadt, seine Stadt, zeigte ihnen die weitläufige Festungsanlage und natürlich seine vielen Gefangenen, als präsentierte er damit eine ganze Sammlung von Verdienstmedaillen. Spät am Abend gab es dann noch ein eher bescheidenes, für die Verhältnisse von Lodar wohl aber recht üppiges Mahl, aus Huhn, gebratenen Tauben und noch mehr Bohnen, bis die Reisegruppe es wagen konnte, sich in das ihr zur Verfügung gestellte Gästehaus zurückzuziehen.
Private Fisker, der Ralph die Schuld an seiner aufgezwungenen Anwesenheit auf dieser irrwitzigen Tour gab und beleidigt kaum mehr als das Nötigste an Worten mit ihm wechselte, schnarchte schon auf seinem Strohlager; ebenso wie die Männer aus Lahej nebenan, obwohl sie versprochen hatten, auf das abgeladene und ins Haus geschaffte Gepäck aufzupassen. Nur Ralph lag noch wach, und das lag nicht an den Unmengen an Kaffee, die er aus Höflichkeit getrunken hatte.
Seine Gedanken waren bei Maya, während er ihren Schal in Grün- und Brauntönen durch die Finger gleiten ließ, immer wieder das Gesicht in den weichen Stoff vergrub und tief ihren ureigensten Geruch einsog. Eigentlich war kein Platz für private, nutzlose Dinge zwischen all den Wasserschläuchen, Mehlsäcken, Beuteln mit Reis, Linsen, Dörrfleisch und Kaffeepulver und Munition, doch Ralph wollte etwas Persönliches von Maya mit auf dieser Reise haben, hatte deshalb den Schal und nach kurzem Zögern auch den kompletten Packen Briefe in seine Satteltaschen gestopft. Hoffentlich ging es ihr gut … Wo sie sich jetzt wohl befand? Muhsin hatte ihm bestätigt, dass der einzig gangbare Weg nach Nordosten über Az-Zara und Lodar führte. Doch auf Ralphs Nachfrage hin, ob eine englische Frau in Begleitung schwarz gekleideter Reiter in den vergangenen fünf Tagen hier durchgekommen sei, hatte er nur einen entgeisterten Blick und ein bedauerndes Kopfschütteln des Sultans geerntet. Wie hatten sie Maya am Sultan vorbeigeschmuggelt? Der Hauptgrund dafür, dass ihn jede noch so kleine Verzögerung nervöser werden ließ, war die Aussicht, die Entführer einzuholen und Maya noch auf dem Weg nach Ijar zu befreien. Weit konnten die Entführer gewiss noch nicht gekommen sein. Wer diese Route nahm, tat dies auf Kamelen, hatte Muhsin ihm versichert und einen erneuten missbilligenden Blick auf Ralphs Wallach geworfen. Und beladene Kamele kamen sehr langsam vorwärts, wie Ralph auf ihrem Weg nach Az-Zara nur zu gut hatte feststellen können. Ihm graute vor all den Meilen, die ihnen bevorstanden. Doch Befehl war Befehl, und er hätte sich noch viel weiter ins Innere Arabiens vorgewagt, um Maya sicher und wohlbehalten in die Arme schließen zu können. Wenn das hier überstanden ist , dachte er, dann fangen wir beide noch einmal ganz von vorne an.
Lieutenant Ralph Garrett war in dieser Nacht nicht der Einzige, der keinen Schlaf fand und seinen Gedanken nachhing. Nachdem er Salim die Wache über das Lager übertragen hatte, wanderte Rashad hinaus in die Sandebene von Al-Hadhina, die er von seinen häufigen Reisen zwischen Ijar und Aden ebenso gut kannte wie die Satteltaschen seines Fuchses. Er hätte einen nächtlichen Ausritt bevorzugt, aber es galt, die Pferde zu schonen, denn noch lag eine weite Strecke vor ihnen, wenn sie auch den größten Teil bereits hinter sich hatten. Als hätte sein Weg ein bestimmtes Ziel, marschierte er durch den weichen Boden, immer im Takt seines Atems und seines Herzschlages, bis seine innere Stimme ihm sagte, dass er die richtige Stelle gefunden hatte und er sich niederließ. Lange
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