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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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saß er so da, unter dem weit gespannten, silbern gesprenkelten Indigozelt des Himmels, wartete auf die Klarheit und Ruhe, die er immer in der Wüste fand. Doch vergebens.
    Etwas beunruhigte ihn. Und die Tatsache, dass dem so war, entsprach so gar nicht seinem Wesen. Gedankenverloren vergrub er seine Rechte im Sand, tiefer und tiefer, als könnte er sich so seiner Wurzeln in diesem Land, in Stamm und Familie vergewissern. Seine Fingerspitzen berührten etwas Festes im pulvrigen Untergrund, und er fischte einen kleinen Gegenstand heraus, flach und kreisförmig, säuberte ihn und hielt ihn in das milchige Licht der Sterne. Eine alte Münze, eingekerbt und matt geschliffen vom Kommen und Gehen des Sandes, wie es sie entlang der alten Reisewege zuhauf im Boden gab, von Karawanen oder Dieben vor langer Zeit verloren.
    Maa-yaa , klang es in ihm. Es erstaunte ihn, dass er keine Klagen von ihr zu hören bekam, wie wenig Furcht sie angesichts ihrer Lage zeigte, und wie viel Mut, und wie sie sich mit beinahe orientalischer Gelassenheit in ihr Schicksal ergab. Wie sie mit offenen Augen durch dieses Land ritt, alles an Formen, Farben, Gerüchen in sich aufnahm, kennenlernen und begreifen wollte, was sie umgab. Das passte so gar nicht zu den Engländern, mit denen er bislang in Kontakt gekommen war.
    Ma. Ya. Zwei weiche Silben, die mehr aus seiner eigenen Sprache zu stammen schienen als aus der ihren, die so viel härter und kantiger war. Mit seltsamen Lauten, die er erstaunlich schnell lernte, sobald er sich unter dieses fremde Volk gemischt hatte, das sich auf der vorgelagerten Halbinsel Adens mit Waffengewalt niedergelassen hatte. Kundschafter für die Sultane war er gewesen, in der Verkleidung eines Handlangers, später in der eines Händlers, schließlich der Söldner, der er tatsächlich war und als der er Karawanen den Schutz seines Schwertes und seines Gewehres gab. Er empfand keinen Hass für die Fremden, wie er nie Hass für Gegner in einem Kampf empfand. Denn der Kampf war das Los des Kriegers, und es war eine Ehre, darin den Tod zu finden. Der Süden, al-Yaman , war seit Menschengedenken Schauplatz vieler Kriege gewesen. Kein Land der Milde, sondern eines, das weder Leichtsinn noch Feigheit verzieh. Das war seine Natur, und diese hatte die Natur seiner Bewohner geformt. »Ich gegen meine Brüder. Ich und meine Brüder gegen meine Vettern. Ich und meine Brüder und meine Vettern gegen den Rest der Welt«, wie man den Jungen von al-Shaheen beibrachte, kaum dass sie der Mutterbrust entwöhnt waren.
    Rashad dachte an Nashita, die schon über die Hälfte ihres und seines Lebens die Frau eines Kriegers war. Vierzehn war sie gewesen, er sechzehn, als ihre Familien den Bund beschlossen, wie es Brauch war. Sie war hübsch und eigensinnig und lachte viel, war so voller Lebendigkeit, wie ihr Name es verhieß, und es gab keinen Grund, nicht glücklich zu sein. Rashad al-Shaheen hatte zwei Söhne gezeugt und eine Tochter, alle drei wohl geraten und keine Kinder mehr. Er hatte seine Pflicht getan, für seine Familie, seinen Stamm, wie er es immer tat, auch für den Sultan von Ijar und die Ältesten von al-Shaheen. Und er hatte es gerne getan. Immer. Weil er ein al-Shaheen war.
    Genauso tat er nun auch seine Pflicht, Maya sicher nach Ijar zu bringen und dort zu warten, bis die Engländer eintrafen, die nach Alis Angaben und seinen Berechnungen auf der Höhe von Az-Zara sein mussten. Wo sich ganz in der Nähe Ali postiert hatte, um notfalls einzugreifen, sollte der Sultan den Durchritt der Engländer behindern. Dreieinhalb Tage noch bis Ijar. Vielleicht fünf mehr bis zur Ankunft von Coghlans Männern. Rashad würde mit ihnen verhandeln und ihnen Maya übergeben, sobald sie sich einig geworden waren. Dann wäre alles vorbei. Ganz so, wie er es geplant hatte. Kein Grund also, beunruhigt zu sein.
    Rashad holte schon aus, um die Münze wieder in die Ebene hinauszuwerfen, doch er besann sich eines Besseren und behielt sie in seiner Hand. Schloss die Finger behutsam zur Faust, damit er sie auf seinem Weg zurück in das Lager nicht verlor. Kein Grund, beunruhigt zu sein.

8
     »Wie viel?!« Ralphs Gesicht lief hochrot an, als er abwechselnd den Sultan und Muhsin anblickte. Sein Dolmetscher duckte sich vorsichtshalber, verzog ängstlich das braune Gesicht unter dem rot-weiß karierten Turban, das Ralph beständig an das eines Frettchens erinnerte.
    »Fünfzig Maria-Theresia-Taler für die Weiterreise«, wiederholte Muhsin die Forderung des

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