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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Sultans. »Dafür stellt er uns auch Geleitschutz bis an die Grenze seines Gebietes.«
    Dass sie auf ihrer Reise nach Ijar Wegegeld würden bezahlen müssen, hatten sie im Voraus gewusst und waren mit einer entsprechenden Barschaft im Gepäck aufgebrochen. Eine Summe, die Coghlan aus seiner Schatulle vorgestreckt und für die Ralph einen Schuldschein unterschrieben hatte. Genug, um sich den Weg nach Ijar und wieder zurück zu erkaufen, genug auch, um unterwegs Lebensmittel zu erhandeln, sollte ihnen der Proviant ausgehen. Doch Ralph dachte nicht daran, schon gleich zu Beginn ihrer Reise einen solch hohen Betrag in den gierigen Schlund eines hinterwäldlerischen Sultans zu werfen, der aus der Lage seines Territoriums an einem Hauptverbindungsweg seinen finanziellen Vorteil zu ziehen gedachte. Eingedenk der orientalischen Sitte des Feilschens hob er eine Hand mit abgespreizten Fingern. »Fünf«, entgegnete er, »und kein Geldstück mehr.«
    Doch der Sultan schüttelte den Kopf und beharrte nachdrücklich auf seiner Forderung. Seine Rechnung war ebenso einfach wie bestechend: Alle Engländer waren reich, diese Kunde war auch bis nach Lodar vorgedrungen. Wer noch dazu sichtbar neue Kleidung trug, schöne Pferde besaß und als Waffe ein Wunderwerk der Technik – der konnte auch fünfzig Taler entbehren.
    Der Morgen verstrich mit diesen zähen Verhandlungen, bis Ralph zwanzig Taler als sein letztes Angebot nannte und der Sultan sich beim Ruf des Muezzins zum Mittagsgebet empfahl. Was nicht für die Mehrzahl seiner Soldaten galt, die sich zwar in die Schatten der Häuser und der Festungsanlagen zurückzogen, aber ihre Gewehre dabei nicht aus den Händen legten. Sieben Mann gegen ein unübersichtliches Heer – das war auch für einen ehemaligen Guide wie Ralph eine unlösbare Aufgabe.
    Niedergeschlagen hockte er auf seinem Strohlager in der Kammer des Gästehauses und brütete über einer Lösung für ihr Dilemma, während Fisker so tat, als ginge ihn das alles rein gar nichts an. Es war schon Nachmittag und Ralph kurz davor, kurzerhand einfach die geforderten fünfzig Taler zu bezahlen, um nicht noch weitere kostbare Zeit zu verlieren, als Muhsin mit einem breiten Grinsen hereinstürmte, einen prall gefüllten Sack ihres Gepäcks über der Schulter. »Wir können los!«
    Verblüfft sah Ralph ihn an. »Wieso das?«
    Ein breites Lächeln zog sich über Muhsins Gesicht. »Ein durchreitender Händler hat von unserer misslichen Lage erfahren und dem Sultan dreißig Taler gegeben. Er lässt uns gehen.«
    Private Fisker schnappte sich seine Sachen und konnte gar nicht schnell genug losstürmen, während Ralph unbeweglich sitzen blieb. Etwas war merkwürdig, geradezu verdächtig an dieser Begebenheit. Als ob jemand großes Interesse daran hätte, dass sie ohne Verzögerung weiterreiten konnten. Unvermittelt sprang er auf. »Ist dieser Händler noch hier?« Auf Muhsins Kopfschütteln hin hakte er weiter nach: »Wie sah er aus? Was trug er für Kleidung? Schwarze, mit Indigo gefärbte?«
    Muhsin blickte irritiert und zuckte mit der Schulter. »Weiß ich nicht. Ist das nicht egal? Wir sollten uns beeilen, ehe der Sultan es sich anders überlegt.«
    Dieser bestand zwar dennoch auf den von Ralph angebotenen zwanzig Talern, ließ sie dann aber ohne weitere Behinderungen, im zufriedenen Wissen, heute ein gutes Geschäft gemacht zu haben, ziehen. Über den ominösen Händler konnte Ralph nicht mehr in Erfahrung bringen, als dass er wie ein Beduine gekleidet war und in letzter Zeit mehrfach Az-Zara passiert hatte – wobei »in letzter Zeit« nicht genauer eingegrenzt werden konnte. Während sie Pferde und Kamele wieder beluden und die Stadt verließen, sah Ralph sich nach allen Seiten um. Der Gedanke, die Entführer hätten jemanden ausgesandt, der sie beobachtete, behagte ihm nicht, auch wenn es ihnen dieses Mal zum Vorteil gereicht hatte. Er riss an den Zügeln seines Wallachs und galoppierte an, in Richtung des Passes von Talh.
    Die Sandebene von Al-Hadhina lag schon seit dem späten Vormittag weit hinter der Reitergruppe um Maya und Rashad. Einen Bergrücken hatten sie erklimmen müssen, auf dessen Rückseite Geröll das Vorwärtskommen erschwert hatte. Steine, die metallisch unter den Pferdehufen geklirrt hatten, ehe es durch aufeinanderfolgende wadis gegangen war, deren pulvriger Boden die Schritte der Tiere bis zur Geräuschlosigkeit gedämpft hatte. Kleine Mädchen in rot-grünen Kleidchen und mit strähnigem, verfilztem Haar,

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