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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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vibrierendes Tremolo ergab. Ihr Gesang ähnelte einem tiefen Murmeln, das Maya wohlige Schauer über die Haut laufen ließ. Die Falsett-Soli, die immer wieder dazwischen einfielen, ließen das Auf und Ab des Liedes wie das Wechselspiel zwischen Blitz und Donner wirken. Maya fragte sich, aus welchem weit entfernten Jahrhundert dieser Tanz stammen mochte, von Generation zu Generation weitergegeben – hier, in diesem seit weit über tausend Jahren besiedelten Gebiet in der Nähe der sagenhaften Weihrauchstraße. Ihr Blick fiel auf Rashad, der leicht versetzt vor ihr stand, im Rhythmus in die Hände klatschte, und Mayas Herz schneller schlagen ließ. Hatte er auch so getanzt, damals, vor seiner eigenen Hochzeit, im Kreis der Männer seiner Familie, seines Stammes? Eine Ahnung überkam sie, wie es sein musste, in einem so engen Verbund aufzuwachsen, althergebrachten Traditionen verhaftet, im Wechselspiel der Elemente verwurzelt, dem Zusammenleben von Mensch und Tier. Er musste ihren Blick gespürt haben, denn er wandte sich zu ihr um und sah sie an. Und lächelte.
    Die Häuser von Nisab waren klar erkennbar im Licht des frühen Abends, als sie unweit davon im Sand haltmachten und ihre Zelte errichteten. Nisab, das einstige Handelszentrum für die luxuriösen Güter, die aus China und Indien kamen – Gewürze, Elfenbein, Jade, Seide und andere kostbare Stoffe, die für die Hochkulturen des Mittelmeerraumes bestimmt gewesen waren. Aus der entgegengesetzten Himmelsrichtung, aus dem Osten Afrikas, wurden edle Hölzer, Federn, Felle, Tierhäute und Gold feilgeboten. Vergangenheit.
    Geblieben waren auch hier steinerne Überreste, halb im Sand vergrabene Steintafeln, vor denen Maya im schwindenden Licht kniete, sie sorgsam von den körnigen Sandschichten befreite und mit den Fingerkuppen die eingravierten Muster nachzog. Sie sah auf, als sich ihr ein Lichtschein näherte. Rashad kam aus dem Lager herüber, eine aus einem dicken Ast improvisierte Fackel in der Hand, die er zwischen die Steinblöcke tief in den Untergrund rammte, bevor er sich daneben niederließ.
    »Ich wünschte, ich könnte es lesen«, seufzte Maya mit Blick auf die Inschriften.
    »Der Vater meines Großvaters konnte noch ein paar Worte der alten Sprache«, entgegnete Rashad. »Ich habe sie leider nicht mehr gelernt.« Sie schwiegen einen Moment lang, dann hantierte er an seinem Gürtel herum und legte etwas auf der Steinplatte vor ihr ab.
    »Eine alte Münze. Ich habe sie gestern gefunden. Vielleicht möchten Sie sie haben.«
    Maya nahm das Metallstück auf und hielt es in den zuckenden Schein der Fackel, drehte es hin und her. In filigranen Erhebungen zeigte es das Profil eines Mannes mit Kurzhaarschnitt und Adlernase, gekrönt von einem Lorbeerkranz, wie ihn auch der Rand des Geldstücks schmückte.
    »Sie sieht aus wie eine aus dem antiken Rom«, überlegte Maya. »Stammt sie aus der Zeit von Himyar?«
    Rashads Schultern hoben sich. »Vielleicht.«
    »Die Welt ist so groß«, murmelte Maya vor sich hin, »und trotzdem gab es schon immer Verbindungen zwischen den Kontinenten. Zu jeder Zeit. Auch wenn sie abrissen, wurden wieder neue geknüpft. – Danke«, flüsterte sie glücklich, schloss beide Hände darum und presste sie vor ihr Brustbein. Nicht ahnend, wie viel sie Rashad mit ihren Worten, dieser Geste, dem Leuchten in ihren Augen, für dieses Stück Metall von eigentlich geringem Wert zurückgab.
    »Said« , hörte Ralph Muhsin Stimme vor sich, dünn und hoch vor verärgerter Besorgnis, »das ist nicht gut, wenn wir heute noch weiterreiten! Es ist zu kalt und das Licht zu schlecht!«
    Damit hatte er zweifellos recht. Nach der Hitze des Tages und dem anstrengenden Ritt traf die Kälte der anbrechenden Nacht sie umso mehr. Es war hier oben, auf dem steilen Weg hinauf zum Pass, derart kalt, dass sowohl Ralph als auch Private Fisker entgegen ihrer ursprünglichen Absicht ihre Uniformröcke ausgepackt und übergezogen und dann erst die wollenen Umhänge darübergeworfen hatten. Ralph trug zusätzlich Mayas Schal um den Hals gewickelt und gegen den scharfen Wind fest verknotet. »Das wird schon gehen!«, rief er als Erwiderung nach vorne. Unter allen Umständen wollte er den erlittenen Zeitverlust wieder wettmachen.
    »Aber said «, jammerte Muhsin weiter, »so gut kenne ich den Weg nicht!«
    Ralph glaubte sich verhört zu haben, gab seinem Wallach die Sporen und galoppierte nach vorne, an die Spitze des Zuges. »Wie bitte?« In Lahej hatte Muhsin ihm

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