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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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auf sich warten: Als die Regentin des Punjab, die Maharani, abgesetzt worden war, sollten wir sie aus dem Land eskortieren. Das hört sich vielleicht ganz simpel an, doch das war es keinesfalls! Es gab unterwegs etliche Zwischenfälle, als einzelne Banden Sikhs uns auflauerten, angriffen und die Maharani zu befreien versuchten. Aber wir bestanden unsere Feuertaufe mit Bravour.
    Die Belagerung der Festung von Multan im Sommer ’48, in der sich nach der Ermordung zweier britischer Soldaten und dem darauffolgenden Scharmützel eine Schar Rebellen verschanzt hatte, habe ich leider versäumt, während ich auf Heimaturlaub war.« Ein Schatten der Enttäuschung glitt über sein Gesicht, verschwand aber gleich darauf wieder. »Als sich jedoch daraus der zweite Krieg gegen die aufrührerischen Sikhs entwickelte, war ich zurück. Ich war dabei, als Lumsden mit unserer Kavallerie die Sikh-Armee zerrieb. Ich war auch dabei, als die Befehlshaber Chattar Singh und Sher Singh in der Nähe von Rawalpindi die weiße Flagge hissten, zwanzigtausend Mann die Waffen streckten und der Punjab unser war!«
    »Aber seither herrscht Frieden dort, nicht wahr?«, versuchte sich Angelina zu vergewissern, in einem Tonfall, als ob sie sich nach Einkaufsmöglichkeiten oder geeignetem Hauspersonal in jenem Landstrich erkundigte.
    »Ein prekärer Friede, Miss Angelina«, erklärte Ralph mit einem abwägenden Kopfschütteln, »mit nächtlichen Angriffen und häufigen Grenzverletzungen. Die Gegend um Peshawar oder Rawalpindi –   «
    Ein dezentes Klopfen am Türrahmen unterbrach ihn. Jacob, Roses Vetter, der sich um den Garten von Black Hall kümmerte und um alles, was es an gröberen Arbeiten im Haus zu tun gab, verbeugte sich leicht. »Verzeihen Sie die Störung, Mr. Jonathan – aber Ihr Herr Vater und ich bräuchten Ihre Hilfe bei der Tanne.«
    »Natürlich, Jacob.« Jonathan schickte sich an aufzustehen und bedeutete Ralph, dass er nicht mitzukommen bräuchte, als Angelina ein spitzer Aufschrei entfuhr: »Kannst du nicht aufpassen?! Sieh nur, was du angerichtet hast!« Hektisch wischte und tupfte sie mit der Serviette an dem Fleck herum, der sich auf ihrem Rockschoß ausbreitete.
    »Entschuldige, Schwesterherz. War keine Absicht.« Jonathan stellte die umgekippte Tasse wieder aufrecht hin und reichte Angelina seine eigene Serviette. »Zum Glück hast du ja noch genug anderes zum Anziehen.« Er zwinkerte Ralph und Maya zu und marschierte aus dem Salon, die Lippen zu einem stummen Pfeifen gespitzt, dicht gefolgt von Angelina, die den Tränen nahe nach oben eilte, um den Schaden an ihrem Kleid möglichst zu begrenzen und sich umzuziehen.
    Maya biss sich auf die Unterlippe, um nicht loszulachen, und starrte angestrengt in ihre leere Teetasse. Doch lange hielt sie es nicht aus, und als sie aufsah und sich ihre und Ralphs Blicke trafen, brachen beide in lautes Lachen aus. »Oje, arme Angelina«, seufzte Maya zwischen zwei Lachern und presste die Hand vor den Mund.
    »Ich fürchte, ich bin der eigentlich Schuldige an diesem Unfall«, beichtete Ralph, und als Maya ihn mit gerunzelter Stirn ansah, fügte er erklärend hinzu: »Ihr Bruder wusste, dass ich gerne ein paar Momente mit Ihnen allein sein wollte.«
    Maya stieg das Blut in die Wangen, und unwillkürlich huschte ihr Blick in Richtung der noch immer geöffneten Tür. Vom Kamin aus konnte man nicht sehen, was in der Halle vor sich ging, aber Martha Greenwoods bestimmtes »Noch ein Stückchen – noch ein Stückchen – noch ein wenig – nein, jetzt ist er wieder schief, wieder etwas nach rechts …« verriet, dass alle mit dem akkuraten Ausrichten des Weihnachtsbaumes beschäftigt waren und es dank Marthas Hang zum Perfektionismus wohl auch noch einige Augenblicke lang sein würden.
    »Miss Greenwood, ich –   « Maya blickte wieder zu Ralph auf, sah, wie er um angemessene Haltung rang, sie aber nicht fand, zwischen Stand- und Spielbein hin- und herpendelte, sich wie Halt suchend mit dem Ellenbogen am Kaminsims aufstützte und seine Tasse in den Händen drehte. Und weil Maya Zweckmäßigkeit gerne über die ihr oft unsinnig erscheinenden Regeln der Schicklichkeit stellte, rückte sie einfach auf der Fußbank ein Stück zur Seite. Ralph sah sie nur an; dann schien ein Lächeln in seinem Gesicht auf. Er hockte sich auf die Kante, so, dass noch eine Handbreit Platz zwischen ihnen war, vermied es zunächst jedoch, Maya direkt anzusehen. »Miss Maya«, begann er erneut, die Augen unverwandt auf

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