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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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zerschnitt die Stimme ihrer Mutter den Augenblick, »Haltung bitte! Verabschiede dich von Mr. Garrett, wie es sich gehört und geh dann auf dein Zimmer!«
    »Es wird alles gut, das verspreche ich dir«, flüsterte Ralph ihr ins Ohr, ehe sie sich nur widerstrebend voneinander lösten, noch einen viel zu kurzen Moment lang an den Händen hielten. Sein Gesicht war aschfahl, als er sie losließ, als Maya nickte, in einer hilflosen Geste über ihre Röcke strich und sich zur Treppe wandte. Sie spürte die Blicke im Rücken, die ihrer Mutter, ihres Vaters, Ralphs und Jonathans, und sie glaubte, sie müsste unter der Last zerbrechen, die sie trug. Jeder Schritt fiel ihr unsäglich schwer, war bleiern und tränenblind, und sie fürchtete den Blick zurück, um nicht Orpheus’ Schicksal zu erleiden.
    »Ralph«, hörte sie ihren Vater freundlich sagen, »es besteht kein persönlicher Groll gegen Sie …« Mayas Blut rauschte ihr in den Ohren, übertönte weite Teile des Gesprächs zwischen den beiden. »… besser eine Zeitlang nicht … bis sich alle beruhigt … Jacob wird Ihnen Ihre Sachen …«
    Auf dem ersten Treppenabsatz stand Angelina, bleich vor Wut, ihre Augen starr wie blaues Glas, die verrieten, dass sie genug gesehen, genug mitgehört hatte, um zu begreifen. »Das geschieht dir recht«, zischelte sie, »hättest du ihn mir überlassen, wäre das alles nicht passiert! Jetzt siehst du, was du davon hast!«
    Maya blieb vor ihr stehen und wischte sich über die tränennassen Wangen. Ihre Stimme zitterte, und doch konnte sie gefasst und klar entgegnen: »Du meinst wohl, weil du ihn nicht haben konntest, darf ich ihn auch nicht haben. Nur vergisst du dabei eines: dass er dich dumme Gans einfach nicht wollte!« Wohl zum ersten Mal verschlug es Angelina gänzlich die Sprache. Sie rang nach Worten, um Fassung, doch es verschaffte Maya keinerlei Genugtuung, einmal ihrer Schwester überlegen zu sein, gab ihr allenfalls genügend Kraft, ihren Weg fortzusetzen, die Treppen zu ihrem Zimmer hinauf. Erst nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen, noch zwei Schritte in den Raum hineingestolpert war, sank sie in sich zusammen. Sie kauerte auf dem Boden, das Gesicht in den verschränkten Armen vergraben, und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    Nur am Rande nahm sie wahr, wie sich die Tür zu ihrem Zimmer leise öffnete, ihre Mutter sich zu ihr herunterbeugte, ihr aufhalf und sich mit ihr auf die Bettkante setzte. Hätte Martha Greenwood das Gleiche wenige Augenblicke zuvor versucht, hätte Maya sie von sich gestoßen. Doch in Mayas Zorn hatte sich Verzweiflung gemischt, und in dem Unglück, das über ihr zusammenschlug und sie in seine Tiefen hinabzog, brauchte sie nun nichts mehr als eine Schulter zum Ausweinen, und sei es die ihrer Mutter. »Schhht, mein Mädchen«, murmelte Martha in das dunkle Haar ihrer Tochter, wiegte sie in ihren Armen, wie sie es zuletzt getan hatte, als Maya noch klein gewesen war.
    Mayas Vorwurf, sie hätte Ralph als Schwiegersohn akzeptiert, hätte er nur um Angelinas Hand angehalten, hatte Martha getroffen. Weil es der Wahrheit entsprach. Zwar nicht jetzt, aber in ein, zwei Jahren, wenn Ralph einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter erklommen hätte, schon Captain oder gar Major wäre, und Angelina sowohl ihre oft noch kindliche Art abgelegt, als auch Martha ihr ihre Launenhaftigkeit ausgetrieben hätte. Dass es ihr trotz aller Vorsicht nicht gelungen war, Maya und Ralph so weit auseinander zu halten, um das heutige Drama zu vermeiden, betrachtete sie daher als ihr ganz persönliches Versagen. Was die beiden zueinander zog, war in Marthas Augen ein leicht entflammbares Gemisch von Gegensätzen, reizvoll, aber selten von Dauer. Vielleicht sogar gefährlich, wenn es sich unter jugendlichem Übereifer entzündete. Auch Martha Bentham war einmal jung gewesen, hatte getanzt und geflirtet und heimlich attraktive junge Burschen geküsst. Um ein Haar wäre sie dabei auf dem gesellschaftlichen Parkett ins Straucheln geraten, war aber dann klug genug gewesen, dem ruhigen, beharrlichen Werben des verwitweten Professors nachzugeben. Eine Wahl, die sie keinen Tag in diesen vierundzwanzig Jahren bereut hatte.
    Sie hätte ihrer Tochter gerne gesagt, dass sie sie auf die gleiche Weise liebte wie Angelina, doch das wäre eine Lüge gewesen. Maya war ihr immer fremd gewesen und geblieben, weit mehr als Jonathan, den sie nicht wie Maya neun Monate lang in sich getragen und zur Welt gebracht hatte. Bei Jonathan, dem

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