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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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hatte, und, zur Erinnerung an glücklichere Tage, waren sie dann gemeinsam ins Boffin’s gegangen, wo Ralph ihn mit seinem heiklen Anliegen konfrontiert hatte.
    »Würdest du nicht genauso handeln, wenn es um dich und Amy ginge?«
    Jonathan sah ihn durch seine gespreizten Finger hindurch an, stieß dann hörbar den Atem aus und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß es nicht. Unsere Situation ist ja eine ganz andere.«
    Frederick Symonds betrachtete voller Wohlwollen, wie der junge Greenwood seine Tochter umwarb. Von Beruf Chirurg, war er sehr angetan von Jonathans Auftreten und Charakter, von dessen familiärem Hintergrund ohnehin. Sobald Jonathan seine Pflicht dem Vaterland gegenüber erfüllt hätte, würde Symonds ihm gerne behilflich sein, ebenfalls als Chirurg Fuß zu fassen und dann auch seine Zustimmung zur Verlobung geben. Auch wenn Amy den Romantiker in ihm leise zu wecken begonnen hatte, so war Jonathan doch vornehmlich ein Verstandesmensch. Und Durchbrennen war etwas, was seiner Meinung nach nur die Gestalten in den altmodischen Romanen dieser Miss Austen taten, die Tante Elizabeth so begeistert las. »Kannst du nicht wenigstens bis zu Mayas Geburtstag am 1. Mai warten? Dann ist sie ohnehin einundzwanzig und ihr könntet auch ohne Einverständnis meiner Eltern offiziell in England heiraten.«
    »Ich muss mich bis spätestens 30. April in der Kaserne gemeldet haben, und keiner weiß, wann wir danach ausrücken, ob in ein paar Wochen oder erst in Monaten. Die ersten Truppen sind schon in See gestochen! Aber auch wenn die Scharfschützen meistens als Letzte aufbrechen, nach Infanterie und Kavallerie, nachdem Material und Munition verschifft sind, wird erst einmal Drill angesagt sein. Urlaub für private Dinge wie eine Hochzeit wird es wohl kaum geben, und ich würde davor gerne wenigstens noch ein paar Tage ungestört mit Maya verbringen. Außerdem – versteh mich nicht falsch, nichts gegen eure Eltern –, aber so wie sie auf ihrem Nein beharren, bringen sie es fertig, in der Zeit zwischen Bestellung des Aufgebots und Trauung eine Heirat doch noch zu verhindern.«
    Mit einem Seufzen lehnte Jonathan sich zurück und machte unter dem Tisch die Beine lang. »Willst du sie nicht zumindest erst einmal fragen, ob sie für eine solch wahnwitzige Idee überhaupt zu haben wäre?«
    Ralph betrachtete den Rest erkalteten Tees, den er in seiner Tasse kreisen ließ. »Ich bin bereit, noch heute Abend vor eurer Tür zu stehen. Alles, was sie tun muss, ist, über die Schwelle zu treten. Wenn sie nicht kommt, fahre ich auf direktem Weg weiter nach Walmer.«
    Jonathan blickte erneut aus dem Fenster, beobachtete die Passanten, denen der Regen von den Schirmen troff, die Kutschen, die hinter ihren Rädern Wasserfontänen aufspritzen ließen. Schließlich wandte er sich wieder Ralph zu. »Lass mich darüber nachdenken. Wenigstens bis morgen.«
    »Was soll ich denn im Garten?«, maulte Maya einen Tag später und klammerte sich mit einer Hand an den Türgriff, während Jonathan unnachgiebig an der anderen zerrte.
    »Frische Luft schnappen, du Stubenhockerin, wenn es schon eine Stunde mal nicht regnet und die Sonne scheint!« Leise vor sich hin schimpfend gab Maya schließlich nach und ließ sich von ihrem Bruder hinaus auf den Kiesweg ziehen, wo er ihren Arm unter den seinen schlang und ihren Handrücken tätschelte. »So ist’s brav, immer schön dem Onkel Doktor gehorchen!«
    »Angeber«, brummte Maya, doch sie konnte das Zucken ihrer Mundwinkel nicht unterdrücken. Die Kiesel knirschten unter ihren Sohlen, und über den Köpfen frohlockten Amseln und Stare über die Regenpause. Das feuchte Wetter hatte den Rasen in die Höhe schießen lassen, auf dem unzählige Tropfen des letzten Schauers in der Sonne funkelten, und das Geäst der Bäume und Sträucher überzog frisches Grün. Unwillkürlich schlossen sich Mayas Lider, und sie atmete tief durch, sog den Geruch nach nasser Erde, frischem Laub und reingewaschener Luft ein, genoss die Wärme des Sonnenlichts auf ihrer Haut.
    »Maya.« Sie blieb stehen, als Jonathan anhielt und sich ihr zuwandte, sah ihn fragend an. Er ließ seine Augen durch den Garten wandern, strich ihr über die Oberarme, setzte zum Sprechen an und schien doch lange nicht die richtigen Worte zu finden. »Angenommen«, begann er schließlich zögerlich und nahm ihre Hände. »Angenommen, dort …«, er wies auf das schmiedeeiserne Gartentor zur Black Hall Road hin, »… dort stünde heute Nacht

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